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Geht es um strittige Reformthemen in der katholischen Kirche, verweisen viele auf Rom als Entscheidungsinstanz. Für den Bamberger Erzbischof Herwig Gössl ist das aber nicht immer die beste Lösung.
Der Bamberger katholische Erzbischof Herwig Gössl (57) rät davon ab, bei strittigen Themen und Reformvorhaben in der katholischen Kirche Entscheidungen des römischen Lehramts zu provozieren. „Vielleicht wäre es besser – und das hat die Kirche auch jahrhundertelang so praktiziert – verschiedene Lehrmeinungen und Denkweisen nebeneinanderher bestehen zu lassen und nicht immer zu erwarten, dass alle auf meiner Seite sind“, sagte Gössl in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA).
„Ansonsten kommt es irgendwann zu einer Entscheidung und dann ist die eine Hälfte beleidigt, weil die andere sich durchgesetzt hat.“ Bei kontroversen Fragen brauche es einen guten und vor allem differenzierten Austausch, so der Erzbischof weiter. Dadurch könnten sich Wege ergeben, „wie man gewisse Fragen auch anders beantworten kann“.
Gössl: Es fehlt an Nachwuchs
Zu schwindenden finanziellen Ressourcen und sinkenden Katholikenzahlen sagte Gössl: „Das Schlimmste wäre, wenn wir jetzt alle anfangen, uns zu bemitleiden, weil das alles nicht so funktioniert, wie man es sich vielleicht vorstellt.“ Es sei aber durchaus frustrierend, wenn man keine Leute mehr habe, um etwa neue kirchliche Formate auszuprobieren. Da stelle sich die Frage, wie man Reformen und wichtige Themen angehen könne, wenn man keine neuen Stellen dafür schaffen könne. Das betreffe im Erzbistum Bamberg aktuell Themen wie die queere Pastoral.
Auch in Priesterseminaren, Ordensgemeinschaften und pastoralen Berufen fehle es an Nachwuchs. Daher müsse unbedingt geschaut werden, „wie Menschen vom Glauben fasziniert werden können“, sagte Gössl. Es tue ihm leid, „dass so viel Negatives in der Kirche rüberkommt und das Positive dahinter verschwindet“. In Bamberg gibt es dieses Jahr erstmals seit über 20 Jahren keine Priesterweihe.
Gössl steht seit März 2024 als Erzbischof an der Spitze des fränkischen Erzbistums. Am 10. Juni ist er 100 Tage im Amt.