"I Don't Feel Hate" - mit christlicher Botschaft nach Rotterdam

ESC-Kandidat Jendrik drehte sein Musik-Video im Kirchenkeller

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"I Don't Feel Hate" heißt der Song, mit dem der Hamburger Jendrik Sigwart beim Eurovision Song Contest in Rotterdam antreten will. Inspiriert von der christlichen Botschaft, will er ein Zeichen gegen Hass setzen.

Mit Glitzer-Ukulele und einem Gute-Laune-Ohrwurm will sich Jendrik Sigwart seinen Kindheitstraum erfüllen. Der 26-Jährige tritt am Samstag für Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) in Rotterdam an. Der Musical-Darsteller war bisher noch nicht in der Pop-Szene unterwegs und schrieb seinen Song "I Don't Feel Hate" mit Hilfe eines Freundes selbst. Auch die Produktion des Musikvideos übernahm er in Eigenregie.

Der gebürtige Hamburger, der wasserstoffblonde Haare und am liebsten bunte Outfits trägt, sprüht vor Energie. Aufgewachsen mit vier Geschwistern, lernte er schon als Jugendlicher Klavier und Gitarre zu spielen. Er absolvierte ein Musical-Studium in Osnabrück und übernahm in Produktionen wie "My Fair Lady", "Hairspray" und "Peter Pan" die Hauptrolle. Während der Ausbildung verliebte er sich in die Ukulele, auf der auch sein ESC-Song entstand. "Es ist wissenschaftlich belegt, dass die Ukulele glücklich macht", ist er überzeugt.

 

Jendrik Sigwart betreute Konfirmanden

 

Das Lied, mit dem er jetzt antritt, hat Sigwart schon vor längerer Zeit geschrieben. Als vergangenen Sommer coronabedingt seine Musical-Jobs ausfielen, entschied er kurzerhand ein Video zu drehen - und damit beim ESC anzutreten. Der Wettbewerb fasziniert ihn schon seit seiner Kindheit: "Was mich begeistert, ist die Vielfältigkeit. Dass jeder so sein kann, wie er will. Dass jeder auch crazy sein kann." 

Sigwart stellte Making-of-Videos seines Clips auf die Social-Media-Plattformen Tiktok und Instagram. In insgesamt 20 Teilen dokumentierte er die Entstehung des Videos. Aus Geldnot drehte der Selfmade-Künstler, der mit seinem Partner in Hamburg lebt, im Keller der leerstehenden evangelischen Kirche Sankt Gabriel in Hamburg-Volksdorf. Dort war er früher als Betreuer von Konfirmanden-Camps engagiert und trat immer wieder bei Benefizkonzerten für die Flüchtlingsarbeit auf. Für den Clip, der in einem Waschsalon spielt, strich er die Wände des ehemaligen Jugendraums bunt und kaufte 18 kaputte Waschmaschinen via Ebay-Kleinanzeigen. Außerdem besorgte er alte Ampeln, ein Planschbecken und ein Mittelfinger-Kostüm aus Plüsch.

 

Peace-Zeichen statt Stinkefinger

 

"Ich fühle keinen Hass, ich fühle nur Mitleid", heißen die ersten Liedzeilen übersetzt. "Du kannst ruhig mit deinem Mittelfinger wedeln. Er wird nie zu dir zurückwedeln", singt Sigwart, während der Plüsch-Mittelfinger im Hintergrund tanzt. Der darf im ESC-Finale übrigens nicht mit auf der Bühne stehen, weil er den Veranstaltern zu vulgär ist. Sigwart hat ihn für den Auftritt kurzerhand in ein Peace-Zeichen verwandelt.

Dabei verfolgt er mit seinem Beitrag ganz lautere Absichten und ließ sich dafür auch von der Bibel inspirieren: "Gerade die Goldene Regel, die im Neuen Testament angesprochen wird, dass du jeden behandeln solltest, wie du selber behandelt werden willst, find ich verdammt wichtig", verrät er in einem Interview des Portals kirchenfernsehen.de. Wer Homophobie, Rassismus, Sexismus oder andere Formen der Diskriminierung erfahre, der könne seinem Gegenüber auch auf einem respektvollen Weg klar machen, dass diese Art der Behandlung die falsche sei.

 

Jendrik erlebte Homophobie

 

Auch er selbst hat Hass erlebt. Insbesondere in den vergangenen Wochen, in denen er verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit stand, erhielt er auf seinen Social-Media-Kanälen homophobe Kommentare. Allerdings sei er darauf vorbereitet gewesen, "dass dieser Song krass polarisieren wird." Die zehn "besten" Hasskommentare hat Sigwart in einem Post veröffentlicht.

Sein fertiges Musikvideo wurde coronabedingt nicht durch einen öffentlichen Vorentscheid, sondern von einer Jury aus 100 Fans und 20 Experten zum nationalen ECS-Sieger gekürt. Damit ist Sigwart automatisch im Finale, das am Samstag unter Pandemie-Bedingungen in Rotterdam stattfindet.

 

Ziel: Top 10

 

Lampenfieber hat der Neuling angeblich nicht. "Ich mache mir keinen Druck." Dennoch habe er sich vorgenommen in den Top 10 zu landen - was für deutsche ESC-Kandidaten nicht selbstverständlich ist. Sollte er gar gewinnen, wäre er nach Nicole (1982) und Lena (2010) der dritte deutsche Künstler, der siegreich aus dem seit 1956 stattfindenden Song-Contest hervorgeht.

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