Schulseelsorger Johannes Gröger über Schulen und die kirchliche Strukturdebatte

Experte: Darum ist Schulpastoral in den neuen Pastoralen Räumen wichtig

  • In die Diskussion um die Schaffung neuer Pastoraler Räume im Bistum Münster mischt sich Johannes Gröger ein.
  • Der Schulseelsorger in Ahlen fordert mehr Beachtung der Schule als Lernort des Glaubens.
  • Zudem sollten sich Religionslehrkräfte und Seelsorgende stärker vernetzen.

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Johannes Gröger ist beeindruckt davon, mit welch hoher Akzeptanz Schulgottesdienste am Berufskolleg St. Michael in Ahlen im Kreis Warendorf gefeiert werden: „Wenn vier von fünf Schülerinnen und Schülern gern in den Schulgottesdienst gehen, obwohl nur maximal drei Prozent von ihnen sonntags im Gemeindegottesdienst anzutreffen sind, dann ist das schon bemerkenswert.“

Gröger bezieht sich auf eine Umfrage, die im Bistum Münster vor einigen Jahren erhoben wurde und an der das Berufskolleg in Ahlen mitgemacht hat. Am Bischöflichen Berufskolleg unterrichtet Gröger seit 30 Jahren katholische Religion und Wirtschaftslehre, seit 25 Jahren ist der Ständige Diakon zusätzlich Schulseelsorger.

Kann die Ortsgemeinde Jugendliche binden?

Intensiv verfolgt der Schulseelsorger die derzeitigen Diskussionen um die Schaffung der neuen Pastoralen Räume im Bistum Münster. Etwa 40 bis 50 Pastorale Räume könnten in den nächsten Jahren aus den jetzigen rund 200 Pfarreien entstehen. „Dabei sollte der Schulseelsorge mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden“, findet Gröger.

Für den 62 Jahre alten Lehrer steht die Frage im Raum, ob die Ortsgemeinde heute überhaupt noch in der Lage ist oder sein kann, Jugendliche an sich zu binden. Dabei könnte die Schule in den Fokus pastoraler Überlegungen rücken, so der Diakon.

Warum Schulseelsorge Jugendliche erreicht

„Da Schülerinnen und Schüler zunehmend mehr Lebenszeit in der Schule verbringen, wird sie zu einem zentralen Ort ihrer Biografie. Sie wird zu einem Lebensraum, der dank seiner Vertrautheit eine ideale Grundvoraussetzung dafür bietet, dass sich Schülerinnen und Schüler für ihre Lebenserfahrungen öffnen, um diese in Zusammenhang mit religiösen Fragen zu reflektieren“, meint der Schulseelsorger.

Wie jede pastorale Arbeit lebe auch die Schulseelsorge davon, dass Menschen miteinander in Beziehung träten. „Wenn pastorale Mitarbeiter nur noch zum Feiern von Schulgottesdiensten vorbeikommen, im normalen Schulalltag aber nicht verfügbar und ansprechbar sind, ist es der Schulseelsorge nicht förderlich“, sagt Gröger.

Vernetzung von Seelsorgenden fördern

Hilfreich könnten in diesem Zusammenhang die positiven Erfahrungen sein, die man in den letzten 25 Jahren an den kirchlichen Berufskollegs gesammelt habe. „Dort wurden aus den jeweiligen Kollegien interessierte Religionslehrerinnen und Religionslehrer für die Tätigkeit als Schulseelsorger ausgebildet, die sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin oder Lehrer ausüben. Sie sind mit dem Schulsystem vertraut, täglich für die Schülerinnen und Schüler präsent und ansprechbar.“

Diese Erfahrungen gelte es für die Pastoralen Räume zu nutzen. „Es bedarf zum Erfahrungsaustausch und gegenseitiger Information Vernetzungen – etwa in einer Arbeitsgemeinschaft der Schulseelsorger und Schulseelsorgerinnen – die zur Förderung von Synergieeffekten führen können.“

Die letzten Kontakte zu Kirchenvertretern

Da mit den neuen Pastoralen Räumen die Anzahl der hauptamtlich Tätigen eher abnehmen werde, gelte es immer wieder, Menschen mit ihren vielfältigen Fähigkeiten wahrzunehmen und zum Miteinander zu ermutigen.

Oftmals sind nach Ansicht von Gröger die Schulseelsorger und Religionslehrer die letzten offiziellen kirchlichen Vertreter, mit denen die Jugendlichen noch in Kontakt treten. „Während der Religionsunterricht durch die Vorgaben des Lehrplans ein eigenes Gepräge erhält, können über die vielfältigen Angebote in der Schulseelsorge wichtige Erfahrungsräume des gelebten Glaubens eröffnet werden, die erahnen lassen, was es heißt, Kirche in dieser Zeit zu sein.“

Firmungen am Berufskolleg

In dieser Zeit des kirchlichen Umbruchs hat Gröger ein Buch unter dem Titel „Hören – ermutigen – Leben gestalten. Schulseelsorge im Wandel der Zeit“ geschrieben. Darin zeigt er vor dem Hintergrund seiner 25-jährigen Erfahrung als Schulseelsorger am Berufskolleg St. Michael auf, welchem Stellenwert künftig dem kategorialen Feld der Seelsorge in der Schule zukommen kann.

Wie Gröger sagt, ist das Berufskolleg mit seinen 290 Schülerinnen und Schülern im Lauf der Zeit immer mehr ein Ort christlicher Seelsorge geworden, wo Taufen, Firmungen, Trauungen und Trauergespräche integraler Bestandteil sind. „Ich bin überzeugt, dass die Schule speziell durch die Schulseelsorge ein eigenes zukunftsträchtiges Gepräge als Personalgemeinde besitzt.“

Schule als Lernort für Kirche

Weil Schule sich dadurch zu einem Raum des außergemeindlichen Christseins entwickle, der fortlaufend an Bedeutung gewinne, müsse dieser auch im Pastoralen Raum verankert sein. „Daher brauchen wir im Pastoralen Raum mehr Vernetzung für diejenigen, die in der Schule arbeiten.“

Dass die Schule immer auch ein Lernort für die Kirche ist, ist für Gröger nach wie vor wichtig: „Innerhalb der Kirche werden zwar viele Antworten auf Fragen gegeben, die aber die Jugendlichen nicht gestellt haben und so heute auch nicht mehr stellen würden. In einer mediendominierten Zeit muss die Kirche neu lernen, die Fragen der Jugendlichen wahrzunehmen, und eine entsprechende Sprache finden, jene zu beantworten.“

Buchtipp
Mit einer Fülle von Szenen aus dem Schulalltag des Berufskollegs St. Michael in Ahlen zeigt Johannes Gröger in einem Buch den Reichtum im Glaubenszeugnis einer Schulgemeinde auf – genau beobachtet, ausführlich erzählt und gründlich reflektiert. Das Buch ist ein Plädoyer für eine „hörende Schulseelsorge“. Das Buch trägt den Titel „Hören – ermutigen – Leben gestalten. Schulseelsorge im Wandel der Zeit“. Erschienen ist das 234 Seiten umfassende Buch im Dialogverlag Münster 2022, ISBN 978-3-944974-61-3. Es kostet 15 Euro. Bestellt werden kann das Buch online beim Dialogversand, per E-Mail an service(at)dialogversand.de oder telefonisch unter: 0251/4839-210.

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