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Die Krankenhausseelsorge steht vor neuen Herausforderungen, sagt Professor Michael Fischer. Der Pastoraltheologe ist bei der St.-Franziskus-Stiftung Münster für Leitbildkoordination und Qualitätsmanagement verantwortlich. Dahinter steckt das Bemühen, die Wirklichkeit in den Hospitälern in den Blick zu nehmen und gleichzeitig das christliche Profil der Einrichtungen zu stärken. Eine komplexe Aufgabe, wie Fischer sagt. Auch in den 15 konfessionellen Stiftungs-Häusern ist längst nicht jeder Patient mehr christlich und gar katholisch, wie noch vor einigen Jahrzehnten.
„Ein Krankenhaus ist ein gesellschaftlicher Schmelztiegel – total plural“, sagt er. Christen, Atheisten, Säkulare, Muslime, Buddhisten, Menschen mit eigenen Wertevorstellungen – die Patienten in katholischen Krankenhausbetten brächten häufig ihre eigene Spiritualität mit. Darauf müssten die konfessionellen Seelsorgerinnen und Seelsorger Antworten haben.
Weniger Seelsorger im Krankenhaus
Hinzu kommt für Fischer ein Rückgang der personellen Ressourcen. Sprich: Es gibt immer weniger Priester, Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen. Sie bildeten lange den Grundstock für das Personal. Deswegen suchten konfessionelle Häuser bistums- und bundesweit nach Alternativen.
So können sich etwa Krankenschwestern und Pfleger in einem dreijährigen „Würzburger Theologie-Fernkurs“ zu Krankenhausseelsorgern ausbilden lassen. „Wir setzen als Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Bistum Münster aber auf eine andere Möglichkeit: die Ausbildung von Ehrenamtlichen“, sagt Fischer.
Ausbildung von ehrenamtlichen Begleitern
Nach einem „strengen Auswahlverfahren“ können sich interessierte Frauen und Männer in fünf Modulen von jeweils drei Tagen zu seelsorgerlichen Begleitern in der Krankenhausseelsorge ausbilden lassen. Acht Ehrenamtliche seien zurzeit einmal wöchentlich jeweils einen halben Tag im Franziskus-Hospital Münster im Einsatz. Stiftungsweit seien es 20 bis 30 Personen. „Tendenz steigend. Das heißt aber nicht, dass wir das Hauptamt abschaffen wollen“, betont er.
Die Hauptamtlichen hätten umfassendere Aufgaben: Sie sind für Patienten und Krankenhausmitarbeiter da, organisieren Weiterbildungen, arbeiten als Mentoren, sind bei „ethischen Fallbesprechungen“ dabei, begleiten Sterbende und Eltern totgeborener Kinder. Derzeit gebe es noch ausreichend hauptamtliche Kräfte.
Spirituelle Sorge im Krankenhaus
Fischer, der auch Direktor des Instituts für Qualität und Ethik im Gesundheitswesen an der Universität Hall in Tirol ist, greift einen weiteren Aspekt auf: „Die heilende Kraft der Zuwendung ist lange Zeit in den Krankenhäusern unterschätzt worden.“
Dass Spiritualität ein zentrales menschliches Bedürfnis ist und zum Gesundungsprozess beitragen kann, firmiere heute unter dem Begriff „spiritual care“. Palliativmediziner und Psychoonkologen, die sich der „spirituellen Sorge“ verbunden fühlten, schauten nicht allein auf Symptome, sondern bezögen die persönliche Situation der Patienten mit ein: Was trägt mich im Leben? Woher schöpfe ich Kraft? Welche Beziehung ist mir wichtig?
Der Patient muss im Mittelpunkt stehen
Fischer beurteilt diese Bewegung durchaus positiv. „Das ist eine gute Entwicklung, Abgrenzung halte ich für Unsinn.“ Er sieht aber auch Gefahren: Denn die Konzentration auf die heilende Wirkung der Spiritualität könne verzweckt werden. „Dahinter stecken auch ökonomische Interessen. Krankenhausseelsorge muss es aber geben, auch ohne dass sie sich wirtschaftlich rechnet“, betont er.
Zudem stellt sich für ihn die Frage: „Wie können wir die vielfältigen Prozesse zusammenlaufen lassen – konfessionelle Seelsorge, spirituelle Sorge, muslimische Seelsorge? Es muss immer um den Patienten gehen und nicht um die Systeme.“
Krankensalbung weniger nachgefragt als früher
Im Krankenhaus-Alltag scheint das oft nicht so einfach zu sein. Etwa wenn die Zusammenarbeit zwischen dem katholischen und evangelischen Seelsorger nicht klappt. Oder die Qualität der Seelsorge von den handelnden Akteuren abhängt, statt von den Bedürfnissen der Patienten. Zudem würden Sakramente wie die Krankensalbung heute weniger nachgefragt.
Seine Studenten im österreichischen Hall hätten ihrem Professor erklärt, dass sie im Krisenfall eher auf einem konfessionellen Seelsorger verzichten wollten. „Zu schlechte Erfahrungen“, war das Urteil der jungen Leute.
Wie gut ist die Klinikseelsorge?
Wie soll also konfessionelle Krankenhausseelsorge künftig aussehen? „Wir schauen auf den Patienten. Mit welcher Qualität wird er betreut? Im Krankenhaus ist Qualität ein Schlüsselwort.“ Es gebe bereits Zertifizierungsverfahren wie „proCum Cert“. Dabei werde allerdings nicht nur die Seelsorge beurteilt, sondern das ganze Krankenhaus.
Interessant findet Fischer den bundesweit ersten Versuch, allein die Seelsorge-Qualität in den Blick zu nehmen. Das geschehe zurzeit im Bistum Freiburg und bei der Vinzenz-Gruppe in Wien. Dort reflektieren die Seelsorger nach jedem Gespräch: Ist mir das so gelungen, wie ich es ursprünglich wollte? Sie überdenken es auch gemeinsam mit Kollegen und im Verbund mit der Vinzenz-Gesellschaft.
Jeder Patienten-Kontakt ist wichtig
Unterschieden werden dabei Einmal-Begegnungen mit Patienten oder Mitarbeitern, die eine besondere Herausforderungen sind, Begegnungen mit Menschen, deren Kommunikation eingeschränkt ist (Behinderung, Demenz), Begegnungen in krisenhaften Situationen (Diagnose-Eröffnung, Angehörige) und die Langzeit-Begleitung von Patienten.
Franziskus-Stiftung
Die Franziskus-Stiftung in Münster ist eine der größten konfessionellen Krankenhausträgerinnen in Deutschland. Zu ihr gehören 15 Krankenhäuser und neun Behinderten- und Senioren-Einrichtungen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bremen. Sie ist zudem an ambulanten Rehabilitationszentren, Pflegediensten und Hospizen beteiligt. In ihren Hospitälern werden jährlich rund 500.000 Patienten stationär und ambulant behandelt. In ihren Langzeiteinrichtungen werden 1000 Menschen betreut. Mehr als 12.000 Mitarbeiter sind in den verschiedenen Aufgabenfeldern der kirchlichen Stiftung privaten Rechts im Einsatz.