Interview zum Welttag gegen Menschenhandel am 30. Juli

Experte sicher: Menschenhandel gibt es auch im Bistum Münster

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Menschenhandel tritt in fast allen Staaten der Welt auf und hinterlässt tausende Opfer. Um auf diese Menschenrechtsverletzung aufmerksam zu machen, begehen die Vereinten Nationen am 30. Juli den Welttag gegen Menschenhandel. Auch das Bistum Münster ist von diesem Verbrechen betroffen, sagt Helmut Flötotto, Flüchtlingsbeauftragter des Bistums, im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.

Herr Flötotto, die Vereinten Nationen haben den Welttag gegen den Menschenhandel ausgerufen. In Deutschland scheint das Problem weit weg zu sein. Teilen Sie diese Einschätzung?

In Deutschland haben wir sicherlich keine Situation wie in Katar. Das heißt jedoch nicht, dass Deutschland vom Menschenhandel nicht betroffen ist. Einschlägige Untersuchungen bestätigen unabhängig voneinander, dass Deutschland sowohl als Herkunftsland, Transitland oder Zielland vom Menschenhandel betroffen ist.

In welcher Form tritt der Menschenhandel am häufigsten in Deutschland, insbesondere im Bereich des Bistums Münster, auf?

Der Bereich Frauenprostitution ist nicht nur im Bistum Münster, sondern insgesamt der am stärksten betroffene Bereich von Menschenhandel. Da der Menschenhandel selten offen zu Tage tritt und mit massiven Repressionen verbunden ist, ist es nicht immer leicht, diesen zu identifizieren. Oftmals erahnen Beratende, dass ein Menschenhandel besteht. Die Beweislage ist dann eine andere Frage.

Welche Erfahrungen innerhalb der Caritas gibt es mit Betroffenen?

Helmut Flötotto
Helmut Flötotto ist Flüchtlingsbeauftrager des Bistums Münster. | Foto: Michael Bönte

In verschiedenen Beratungsstellen der verbandlichen Caritas im Bistum Münster, insbesondere beim SkF (Sozialdienst katholischer Frauen, Anm. d. Redaktion), gibt es Erfahrungen mit Personen, die vom Menschenhandel betroffen sind. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Frauen. Aber es ist sehr schwierig, dass sich diese gegenüber beratenden Stellen äußern. Oftmals halten sie sich illegal in Deutschland auf oder es wurden ihnen die Papiere abgenommen, bis sie ihre Schulden „abgearbeitet“ haben.

Das Land NRW hat das Netzwerk der Beratungsstellen „Arbeit“, die jetzt auch für prekäre Beschäftigungsverhältnisse zuständig sind, neu aufgesetzt. Über dieses Netzwerk wissen wir, dass das Problem Menschenhandel auch im Bereich der Saisonarbeit in der Landwirtschaft und am Bau auftritt. Durch neue gesetzliche Regelungen für die Fleischindustrie scheint dieser Bereich nicht mehr in dem bisherigen Ausmaß betroffen zu sein.

Sind Frauen und Minderjährige besonders gefährdet?

Das muss man uneingeschränkt mit Ja beantworten. Frauen trifft es besonders mit dem Zwang zur Prostitution. Es ist allerdings zu befürchten, dass auch Minderjährige betroffen sind. Das Pädophilen-Netzwerk in Münster und an anderen Orten hat deutlich gemacht, welche abscheuliche Perversion gegenüber Minderjährigen stattfinden kann. Auch die Frauenhäuser sind mit dem Problem konfrontiert.

Sie sind Flüchtlingsbeauftragter des Bistums Münster. Sind auch Flüchtlinge von Menschenhandel betroffen?

Uns liegen dazu keine sicheren Erkenntnisse vor. Es wäre jedoch ein Wunder, wenn der Bereich Prostitution davon nicht betroffen wäre. Auch sind viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht mehr auffindbar. Das einige davon im Bereich Menschenhandel gelandet sind, ist nicht auszuschließen.

Wie stehen sie als Caritas Betroffenen zur Seite?

Die Caritas steht den betroffenen Personen mit ihren unterschiedlichen Beratungsdiensten zur Verfügung. Dabei ist die aufsuchende Arbeit ein ganz wichtiger Faktor. Betroffene Frauen melden sich nur äußerst selten selbst, dass sie von Menschenhandel betroffen sind. Das läuft meistens über mehrere Ecken, der eine hat von der anderen gehört und so weiter, bis dass eine Person in der Beratung und Begleitung durch eine Beratungsstelle ist. Gegebenenfalls taucht auch über medizinische Behandlungen ein Verdacht auf Menschenhandel auf.

Welche Maßnahmen wünschen Sie sich von der Politik, um den Menschenhandel effektiv bekämpfen zu können?

Die Europäische Union hat im Rahmen der Strategie für eine Sicherheitsunion und des Migrations- und Asylpakets Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels verabschiedet. Diese Strategie sollte möglichst schnell auch in eine nationale Gesetzgebung münden. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Hauptzollämter muss mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden.

Bei allen Maßnahmen ist aber immer zu beachten, dass der Bereich Menschenhandel grundsätzlich verdeckt stattfindet und mit schweren Repressalien gegenüber betroffenen Personen verbunden ist. Von daher stellt die Offenlegung von Menschenhandel eine große Schwierigkeit da. Wenn Personen sich gegenüber einer Beratungsstelle outen, bedarf es umfangreicher Schutzmaßnahmen, damit sie an Leib und Leben nicht gefährdet werden.

Stichwort Menschenhandel: Von Menschenhandel ist die Rede, wenn Personen gezielt in ausbeuterische Verhältnisse gebracht werden. Die Zahl der weltweit aufgedeckten Fälle von Menschenhandel ist nach Angaben der Vereinten Nationen stark angestiegen in den vergangenen Jahren. Waren es 2003 etwa 7.600 Fälle, sind es im Jahr 2016 knapp 25.000 Fälle gewesen. Am häufigsten sind Fälle mit dem Ziel sexueller Ausbeutung oder der Zwangsarbeit. Menschenhandel ist nur schwer aufzudecken, deshalb müsse man laut Experten von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Quelle: bpb.de

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