Theologen Eberhard Schockenhoff und Gregor Maria Hoff bei Bischofskonferenz in Lingen

Experten raten Bischöfen zu neuer Sicht auf Sexualität und Macht

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Experten haben die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Lingen zu deutlichen Reformen ermutigt. Der Theologe Eberhard Schockenhoff thematisierte Verhütung und Homosexualität, sein Kollege Gregor Maria Hoff das Macht-System.

Eine erhebliche Änderung der kirchlichen Sexualmoral hat der katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff vor den deutschen katholischen Bischöfen gefordert. In einem Grundsatzreferat vor der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Lingen empfahl der Freiburger Theologie-Professor eine Familienplanung auch mit künstlichen Verhütungsmitteln.

Ferner solle die Kirche anerkennen, dass es legitime Sexualbeziehungen auch außerhalb der heterosexuellen Ehe gebe. Die Kirche soll nach den Worten Schockenhoffs an einem Eheverständnis festhalten, das die Ehe als eine ganzheitliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau versteht. Zugleich müsse sie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften vorbehaltlos anerkennen.

„Vergiftete Sicht der Sexualität“

Schockenhoff stellte laut Redemanuskript klar, dass der Glaubwürdigkeitsverlust der geltenden katholischen Sexualmoral nicht durch die gegenwärtige Missbrauchskrise verursacht worden sei. Vielmehr habe die Kirche die Erkenntnisse der zeitgenössischen Wissenschaften nicht in ihre Sexualethik integriert und beziehe sich bis heute auf die „vergiftete Sicht der Sexualität“, die der Kirchenvater Augustinus (354-430) entworfen habe.

Der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff sieht die katholische Kirche angesichts ihrer Missbrauchsfälle in einer „Sakralisierungsfalle“. Der Kirche als religiöser Institution und ihren Priestern als Repräsentanten Jesu Christi komme Sakral- und Glaubensmacht zu, sagte er in seinem Vortrag bei dem Studientag der Bischofskonferenz. Die Macht basiere auch darauf, dass der Kirche und den Priestern Vertrauen entgegengebracht werde. Entsprechend wirke es „tödlich“ und „desaströs“, wenn das Vertrauen und die damit verbundene Macht enttäuscht würden, etwa durch Missbrauchstäter.

„Verselbstständigung einer unheiligen Macht“

Hoff sprach laut Redemanuskript von einem Systemproblem. Dieses lasse sich nur durch kirchliche Gewaltenteilung und Machtkontrolle von innen und außen lösen. Dies seien Mittel gegen die „Verselbstständigung einer unheiligen Macht, die an ihre Heiligkeit noch glauben kann, wenn sie diese missbraucht“, sagte der Theologe.

Durch kirchliche Gewaltenteilung ließe sich „sakralisierte Macht verflüssigen“, so Hoff. Durch das Teilen der Macht nehme diese nicht ab, sondern gewinne Autorität. „Die Frage an Sie als Deutsche Bischofskonferenz ist dabei, ob Sie Macht nur delegieren wollen oder eine eigenständige Machtpartizipation im Volk Gottes wollen und dann auch nachvollziehbar ermöglichen“, sagte der Theologe.

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