Bibel-Experte Thomas Söding erklärt die Kar- und Ostertage

Fakten-Check Karsamstag: Wie war das damals wirklich?

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In der Karwoche gedenken Christen des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu. Die Bibel erzählt das Geschehen und deutet es zugleich. Aber was ist damals wirklich geschehen? Antworten von Bibel-Experte Thomas Söding aus Münster. Im vierten Teil geht es um Karsamstag, den Tag der Grabesruhe - zwischen dem Tod Jesu am Kreuz und seiner Auferstehung an Ostern. Ein Tag, an dem nichts geschieht. Ein leerer Tag?

Jetzt mal im Ernst: Am Karsamstag passiert nichts. Hätte Jesus nicht auch direkt am Tag nach seinem Tod wieder auferstehen können?

Jesus war richtig tot. Tod und begraben, wie wir sagen, und wie auch das Glaubensbekenntnis festhält: Er ist gestorben und begraben worden, zitiert Paulus im Ersten Korintherbrief die Urverkündigung aller Apostel – die dann mit der Auferstehung und der Erscheinung fortgesetzt wird (1 Kor 15,3-5). Dort, im Credo der Jerusalemer Urgemeinde, ist nicht von der Auferstehung, sondern von der Auferweckung Jesu die Rede, also einer Tat Gottes, des Vaters, am getöteten Jesus.

Der Karsamstag wird für uns zur Frage: Halten wir den Tod Jesu aus? Müssen wir wollen, dass immer gleich alles gut wird? Ist es nicht im Gegenteil so, dass Menschen durch tiefe Täler und dürre Wüsten des Leidens, der Anfechtung, der Sinnlosigkeit gehen, ohne dass sich alles schnell zum Guten wendet, bloß, weil sie es heiß und innig wünschen?

 

Keine Auferstehung im Handumdrehen

 

Der Karsamstag, der Tag der Grabesruhe, hält allen Menschen, die so leben und hadern und zweifeln und bitter werden, die Tür zu Gott offen. Jesus selbst ist nicht im Handumdrehen auferstanden, sondern nach drei Tagen – wenn man den Karfreitag (bis 18 Uhr nach jüdischer Zeitrechnung) als ersten und den Ostermorgen (ab 6 Uhr) als dritten Tag rechnet.

Am Karsamstag wird deutlich, dass Jesus wirklich gestorben ist, Wäre er es nicht, würde auch seine Auferstehung nichts bedeuten. Wäre Jesus nur zum Schein gestorben, wäre er auch nur zum Schein auferstanden. Mit dem Schicksal der Menschen, die allesamt wirklich sterben müssen, hätte Jesus nichts zu tun. Der Karsamstag ist eine Zumutung, Große Theologen der Neuzeit wie Hans Urs von Balthasar haben sich getraut, über ihn nachzudenken – und die Leerstelle nicht mit Spekulationen zu füllen, sondern als Riss der Heilsgeschichte sichtbar zu machen, ohne den es keine Vollendung jenseits des Todes geben kann.

 

Das volle Grab – eine Zumutung

 

Aus biblischer Sicht kann man noch weiter gehen. Viele zweifeln, ob das Grab Jesu wirklich leer gewesen sein kann am Ostermorgen. Aber die eigentliche Zumutung ist, dass das Grab Jesu voll gewesen ist. In keinem Mythos ist vorgesehen, dass der Held wirklich stirbt. Friedrich Nietzsche hat verkündet: „Gott ist tot“ – und gemeint damit, dem Christentum den Grabgesang anzustimmen.

Das Evangelium ist radikaler: Jesus ist tot – der Sohn Gottes. Was undenkbar ist, die Erniedrigung des Messias, das Scheitern des von Gott Gesandten, ist Wirklichkeit geworden – und zwingt zu einer ganz neuen Theologie und Philosophie, weil es zu einem neuen Glauben einlädt, der beansprucht, der Wirklichkeit gerecht zu werden: keiner Theorie, keiner Idee, sondern einem Menschen, der alles auf Gott gesetzt und sein Leben hingegeben hat – und nicht vor dem Äußers­ten bewahrt geblieben, sondern in die Gottesfinsternis sich hat fallen lassen und ins Grab gelegt worden ist.

 

Jesus in der Unterwelt

 

Das Glaubensbekenntnis nimmt diese Realität wahr, wenn es weiterführt: „hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Es greift nicht den Mythos von Orpheus in der Unterwelt auf, der – fast – seine Euridike wieder ans Tageslicht geholt hätte. Es geht vielmehr auf den Ersten Petrusbrief zurück: „Im Geist ist er hinabgestiegen zu den Geis­tern ins Gefängnis, um ihnen zu predigen“ (3,19).

Weil er den Tod aller Menschen gestorben ist, durchbricht Jesus – so die Hoffnung des Glaubens – auch die Grenze zu den Toten in der Unterwelt und eröffnet ihnen das Evangelium des Lebens. Diese Verkündigung kann nur wahr sein, wenn Jesus sich so radikal auf den Tod eingelassen hat, dass er ihn zu einem Moment des Lebens macht.

Karsamstag ist die Generalpause mitten in der Ostersymphonie, die an Gründonnerstag beginnt.

Zur Person
Der Theologe Thomas Söding befasst sich als Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum mit Themen neutestamentlicher Exegese und Theologie. Seine zentralen Forschungsgebiete liegen bei Markus, Paulus und Johannes. Söding ist Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken und Teilnehmer des Synodalen Wegs. Er lebt in Münster.

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