Matthias Remenyi zum Erstarken von Rechtsextremismus

Nie wieder Faschismus? Dazu ist klare Kante nötig - jetzt erst recht!

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Der Schock sitzt tief - auch eine Woche nach dem Erstarken von Rechtsextremisten bei Wahlen in Ostdeutschland. Das könnte erst der Anfang sein, befürchtet Matthias Remenyi in seinem Gast-Kommentar. Und dann?

Es ist dunkler geworden in Deutschland. Was sich schon länger abzeichnete, wurde ausgerechnet auf den Tag genau 85 Jahre nach dem Überfall Nazideutschlands auf Polen offensichtlich: Der Faschismus ist in weiten Teilen Deutschlands wieder hoffähig geworden. Das „Nie wieder“, Teil der Gründungserzählung der Bundesrepublik, ist spätestens mit diesem 1. September 2024 zerbrochen. 

Zum ersten Mal wurde in einem Bundesland eine gesichert rechtsextreme Partei stärkste Fraktion. Wer in Thüringen AfD wählte, wählte eine Partei mit einem Faschisten an der Spitze – und wusste darum. Ähnlich in Sachsen. Die liberale Demokratie ist unter Druck wie nie.

Was gegen Hass und Angst hilft

Wenn die These des Münchner Soziologen Armin Nassehi zutrifft, dass die innere Aushöhlung und die Delegitimierung der Demokratie nicht disruptiv, mit einem Schlag, in der Mitte der Gesellschaft auftreten, sondern schleichend, in kleinen Schritten und Dosen, sozusagen prozessual und durch Gewöhnung das Herz und Hirn verderben, dann gilt mehr denn je jetzt: klare Kante! 

Nicht ins gleiche Horn stoßen, sich nicht vom Hass anstecken lassen (auch nicht nach Solingen), aber der schleichenden Diskursverschiebung durch offene Gegenrede widerstehen. Gegen Hass und Angst helfen Solidarität und Selbstvergewisserung, aber vor allem Freimut und Klarheit.

Ähnliche Merkmale auch in der Kirche

Der Autor
Matthias Remenyi ist Professor für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Würzburg.

Und Ehrlichkeit. Viele der Merkmale, anhand derer die jüngere Forschung moderne Faschismen ausmacht, stehen auch in meinem eigenen, kirchlichen Laden bisweilen erschreckend hoch im Kurs: Verklärung einer vermeintlich machtvollen und ruhmreichen Vergangenheit, ein hartes Freund-Feind-Denken, das „die da draußen“ in kulturkämpferischer Attitüde zur Bedrohung der eigenen Tradition erklärt, eine überstarke Betonung von Autoritäten und Hierarchien, Wissenschaftsskepsis bis hin zu Wirklichkeitsblindheit, Absage an Gewaltenteilung, Angst vor Sexualität, gepaart mit Homophobie und einer Fixierung auf traditionelle Rollenmuster, vor allem aber eine tiefsitzende Angst vor der Freiheit.

Zugleich bietet das Christentum genau die Ressource, die es braucht, dem Faschismus die Stirn zu bieten: einen Universalismus des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, der niemanden, wirklich niemanden ausschließt, weil er darum weiß, dass alle Menschen gleich an Würde sind, weil Gott in einen jeden Menschen sein Bild gelegt hat. Dafür will ich werben, dafür will ich streiten. Jetzt mehr denn je.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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