Anzeige
Im Verzichten sind wir längst Meister - dafür sorgen Corona-Krise und Lockdown schon seit einem Jahr. Und doch bieten Kirche und Pandemie-Bekämpfung auch in dieser Fastenzeit genügend Möglichkeiten, sich wirksam in Verzicht zu üben. Thorsten Hendricks, Pfarrer in Duisburg, hätte da so einige Vorschläge.
„Sag mal, worauf verzichtest Du in dieser Fastenzeit?“ – mit dieser Frage überraschte mich unlängst ein Freund. Na klar, ich hatte mir schon einiges überlegt: keine Süßigkeiten, weniger Fernsehen, mehr Stille, mehr Bibellesung … Aber diese Frage war doch noch tiefer: „in dieser Fastenzeit“.
Wir verzichten seit Monaten auf soziale Kontakte, Kino, Schwimmbad, Friseur, Restaurantbesuche, Shoppen und anderes. Und der PC ist viele Stunden am Tag an: Homeoffice und Homeschooling mit -zig Videokonferenzen: Da mag man abends gar nicht den Fernseher einschalten ...
„Sieben Wochen ohne“ ist untertrieben
Der Autor
Thorsten Hendricks (43), Pfarrer in St. Franziskus Duisburg-Homberg und Dechant im Dekanat Duisburg-West.
Warum sollten wir dann jetzt in „dieser Fastenzeit“ noch mehr fasten? Der Begriff „Sieben Wochen ohne“ ist doch wirklich in diesem Jahr untertrieben. Im letzten Jahr wurde mitten in der Fastenzeit der erste Lockdown ausgerufen. Da gab's dann auch das „eucharistische Fasten“.
Viele Menschen zündeten abends eine Kerze an und stellten sie ins Fenster, die Glocken läuteten. Viele Bilder wurden davon in den sozialen Medien gepostet. In Italien gingen Menschen auf ihre Balkone und applaudierten den Pflegekräften; kleine Chöre bildeten sich und sangen auf Abstand vor Altenheimen Volkslieder. Wir wussten die erste Lockdown-Zeit irgendwie zu gestalten – mitten in der Fastenzeit 2020.
Mehr Mut zur Lücke
Und nun, 2021, geht's mit unseren guten Vorsätzen in einer noch ungemütlicheren Zeit für die Kirche und für manche ihrer Amtsträger wieder los. „Worauf verzichtest Du in dieser Fastenzeit?“ – ich habe diese Frage eines Freundes weiterhin im Ohr und verstehe sie auch so: Verzicht auf Macht, auf Klerikalismus, auf das Männerbündische in der kirchlichen Landschaft, auf verschwurbelte Verschwörungstheorien, auf leere Floskeln in puncto Corona und das Nachplappern von Inzidenzwerten und Impf-Fantasien.
Stattdessen: mehr Ehrlichkeit und Transparenz gegenüber sich und anderen in der Machtfrage und in der Aufdeckung von Missbrauchsfällen, mehr Empathie für die, denen es in dieser Coronazeit noch schlechter geht, mehr Mut, für die Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft einzutreten, mehr Mitsorge dafür, dass es den Armen und gesellschaftlich an den Rand Gedrängten besser geht, mehr Mut zur Lücke, das heißt, auch einmal Dinge zu lassen und nicht immer nur zu powern und zu agieren.
Eigentlich ist doch das in der Coronazeit dran, was uns das Matthäus-Evangelium in der Fastenzeit verkündet: „Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest…“ (Mt 6, 6): Mut zur Lücke!
Die Positionen der Gastkommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.