Der Abstieg von Frank T. verlief rasend schnell

Fester Job, geregeltes Einkommen – trotzdem obdachlos in Münster

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Frank T. hat als Busfahrer ein geregeltes Einkommen und ist trotzdem obdachlos. Der Weg aus seiner prekären Lage scheitert an den immensen Wohnkosten in Münster.

Den Spruch kennt jeder: „Wenn du so weiter machst, landest du irgendwann einmal unter der Brücke.“ Auch Frank T. hatte ihn in seiner Jugend mal von seiner Mutter gehört. „Das war ein Horrorbild, das gezeichnet wurde – obdachlos, mittellos, isoliert“, sagt der 50-Jährige. Dass die Prophezeiung für ihn Realität wurde, war außerhalb seiner Vorstellungskraft. Doch vor etwa drei Jahren ging es plötzlich schnell. „Rasant schnell.“

Für Frank T., der seinen Namen nicht genannt haben möchte, standen die Zeichen nicht auf Obdachlosigkeit. Er hatte einen Job als Busfahrer, ein kleines Appartement, ein geregeltes Leben. Die Entwicklung im Jahr 2020 traf ihn also nicht etwa auf dem falschen Fuß. Allerdings mit einer solchen Wucht, dass ihm der Halt trotzdem entglitt. „Corona, mein Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert, ich kam mit der Miete in Rückstand, wurde aus meiner Wohnung geschmissen.“

Absturz mit großer Dynamik

Wenn er von seinem Weg berichtet, ist die Dynamik zu erahnen, die ihn ins gesellschaftliche Aus beförderte. In kurzer Zeit reiht er die Ereignisse aneinander. Jedes legte sich wie ein Brandbeschleuniger auf seine Situation. „Der Gerichtsvollzieher kam, ich war geschockt, ließ wichtige Zeit verstreichen, verpasste es, mir rechtzeitig Hilfe zu holen…“

Kurze Zeit später stand er vor der Tür, neben ihm eine Sporttasche mit ein paar Klamotten und ein Karton mit persönlichen Unterlagen. „Alle anderen Habseligkeiten und Erinnerungsstücke ließ ich zurück“, sagt Frank T. „Freunde und Familie wollte ich nicht belasten, auch aus Scham – ich wusste einfach nicht, wohin mit meinen Sachen.“ Das meiste davon hat er nie wieder gesehen, es wurde entsorgt. Auch weil er damals nicht in der Lage war, sich darum zu kümmern. Zu tief saß der Schock. Das Porzellan, das seine Mutter ihm vererbte, würde er heut gern noch besitzen. „Und meine Fotoalben.“

Anlaufstelle: Haus der Wohnungslosenhilfe

 „Ich war von einem Augenblick auf den anderen obdachlos.“ Das war der Tiefpunkt. Und der Anfang von einem langen Weg heraus aus seiner Lage. „Zum Glück hatte mir der Gerichtsvollzieher die Adresse vom Haus der Wohnungslosenhilfe in Münster gegeben.“ Er selbst hatte damit keine Anschrift mehr, aber zumindest ein Dach über dem Kopf. „Zu dritt in einem kleinen Raum, Etagenbetten, viel Unruhe, gewöhnungsbedürftige Begegnungen…“

Frank T. spricht diplomatisch über eine Situation, die ihn richtig runterzog. „Wenn ich kein Kämpfer wäre, wäre ich vielleicht noch weiter abgerutscht.“ Es brauchte aber mehr als Kampfgeist, sagt er. Hilfe von außen: „Zwei Dinge waren entscheidend – die Chance, in ein Heim der Bischof-Hermann-Stiftung für Wohnungslose zu ziehen und das Angebot eines Busunternehmers, der mich trotz meiner Situation anstellte.“

Lohn und Brot, aber kein eigenes Dach

Er war wieder in Lohn und Brot – eigentlich müsste damit ja alles geregelt gewesen sein. War es aber nicht. Denn trotz seines geregelten Arbeitslebens war für ihn eine eigene Bleibe nicht zu finanzieren. „Die Mieten, auch die der Sozialwohnungen, waren von meinem Gehalt nicht zu stemmen, ich blieb weiter ein Mann ohne Obdach.“ Von seinem Heimzimmer ging es zu den Früh-, Spät- und Nachtschichten auf den münsterschen Straßen. Rückstände, Schulden, auch geerbte Verpflichtungen nach dem Tod seiner Mutter, ließen keine erfolgreiche Wohnungssuche zu.

Das ist bis heute so. Zwar spricht er von „dem riesigen Glück“, dass er im Sommer 2022 in eines der kleinen Obdachlosen-Appartements im Bischöflichen Priesterseminar in Münster habe ziehen zu können. „Ein Quantensprung beim Komfort, für das ich nur wenig zahlen muss.“ Nur ein Bruchteil als für Wohnraum auf dem freien Markt. Aber: „Die Zeit dort ist begrenzt – spätestens in ein paar Monaten muss ich da raus.“

Die Angst bleibt

Er sagt, dass er diese Situation „skurril“ findet. Vieles in seinem Leben hat er wieder auf feste Beine gestellt. Er hat eine Freundin, geht in der Stadt spazieren, trinkt gern einen Cappuccino im Café. Mehr Eigenständigkeit verhindern die Preise auf dem münsterschen Wohnungsmarkt. „Ich gelte weiterhin als obdachlos.“ Was ein Gefühl in ihm füttert, das er nach den Erlebnissen vor drei Jahren bei all den positiven Wendungen seither nicht mehr verdrängen kann, sagt Frank T.: „Eine Angst – der Gedanke daran, wie schnell der Weg nach unten ist. Rasant schnell.“

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