EHRENAMT

Flüchtlingshelfer mit 90 Jahren - wie Franz Grave syrischen Familien hilft

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Er betreut zwei syrische Familien. Er begleitet sie zu Ämtern oder kümmert sich um die Post. Für Franz Grave ist sein Alter Ansporn.

Einer der Jungs spielt in der Kreisauswahl. Und ein bisschen ist auch Franz Grave stolz auf ihn. Klar, dass er auch schon am Spielfeldrand mitgefiebert hat. Wie neulich erst. Als Maisah Ismail ihn anrief. „Hallo Franz, Mohammed spielt heute Fußball in Visbek. Willst du dir das mal ansehen?“

Der groß gewachsene Mann lächelt. „Da bin ich hin zum Fußballplatz und habe mir das Spiel des Jungen angeguckt.“ Ehrensache für Franz Grave! Auch noch mit mittlerweile 90 Jahren.

Stolz auf die Kinder der syrischen Familie

Seine Augen leuchten, als er von der Tochter der Familie erzählt. „Sie ist im achten Schuljahr und ist Klassensprecherin. Und in Deutsch ist sie eine der Besten in ihrer Klasse.“ Franz Grave nickt und lächelt.

Schon mehrmals hat er die Kinder zum Eisessen eingeladen. Am Zeugnistag, als Belohnung. Weil der ehemalige Bankangestellte weiß: Fleißiges Lernen kann ihnen helfen, einen Platz in ihrer neuen Heimat zu finden. Und dabei will er mithelfen.

Vor neun Jahren hat Franz Grave begonnen zu helfen

Seit 2015 kümmert sich der Rentner um Flüchtlingsfamilien im oldenburgischen Visbek, einer 10.000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Vechta. Anfangs waren es drei, mittlerweile sind es noch zwei Familien. Der Kontakt entstand zufällig, als die Gemeindeverwaltung sie in dem Haus direkt neben seinem eigenen einquartierte, drei Familien mit insgesamt zehn Kindern.

„Da habe ich dort geklingelt und gefragt, ob ich ihnen irgendwie helfen kann.“ Was ihn dazu bewegt hat? Franz Grave zuckt mit den Schultern, als verstehe er den Sinn der Frage nicht. „Man kümmert sich einfach“, sagt er. So wie er als Kind gelernt habe, dass man stets freundlich und hilfsbereit sein soll.

Franz Grave hat das Beispiel seiner Mutter vor Augen

Bildhaft steht ihm noch seine Mutter vor Augen. Damals, als er kurz nach dem Krieg mit acht Geschwistern als Sohn einfacher Heuerleute in der Nähe von Visbek aufwuchs. „Wenn jemand Hilfe braucht, dann muss man helfen!“ Das sei immer ihr Lebensmotto gewesen, sagt er und erklärt das an einem Beispiel.

„Wenn es mittags Eintopf gab und ein Bettler an die Tür klopfte und um eine Spende bat, dann war ganz klar, dass er auch einen Teller Suppe bekam.“ Solche Erfahrungen hätten ihn für ein ganzes Leben geprägt, sagt er. „Dass man sich einsetzen muss für andere.“

Franz Grave stellte Kontakt zu Arbeitgebern her

Bei den syrischen Familien hieß das: Ansprechpartner für sie zu sein – und Türöffner. Franz Grave, der jahrelang Vorsitzender der örtlichen Kolpingsfamilie war, wusste: Arbeiten zu können – das würde der Familie helfen. Also half er mit, zunächst die Väter in Firmen unterzubringen.

Einer der beiden arbeitet bis heute auf der Pilzfarm, zu der Franz Grave den Kontakt vermittelt hatte. Ein anderer fährt mittlerweile LKW. „Die sind beide gut versorgt“, freut sich Franz Grave.

Kontakt mit den Familien tut ihm selbst auch gut

„Ich bin zum Beispiel von schweren Krankheiten verschont geblieben“, antwortet er auf die Frage nach weiteren Gründen für seinen ehrenamtlichen Einsatz. „Mir geht es gut, und davon möchte ich etwas zurückgeben.“

Dazu komme: Der Kontakt mit jungen Familien tue ihm gut. Und: Die Hilfe läuft nicht nur in eine Richtung. „Wenn wir uns mal längere Zeit nicht gesehen haben, rufen sie an oder kommen vorbei und fragen, ob bei mir und meiner Frau alles in Ordnung ist.“

Der 90-Jährige hilft bei Briefen von Behörden

Bis heute begleitet er sie bei Fahrten zum Jobcenter oder zum Ausländeramt in die Kreisstadt Vechta, vermittelt und übersetzt nach Kräften. Anfangs mit Händen und Füßen. Englisch hat er nie gelernt. „Aber das hat dennoch alles geklappt.“

„In den ersten sechs, sieben Jahren gab es wohl keinen Tag, an dem nicht irgendein Brief bei mir ankam, der bearbeitet werden musste“, erinnert sich Franz Grave. Er half ihnen, alles zu sortieren und richtig auszufüllen.

Manchmal regt er sich über die Bürokratie auf

Auch heute noch bringen die Mütter ihm regelmäßig ihre Post mit Anträgen, Formularen oder Informationsschreiben. Die Anträge fürs Kinder- oder Wohngeld zum Beispiel. „Ich sorge dafür, dass sie das pünktlich hinkriegen.“

Dabei regt er sich auch mit 90 Jahren ab und zu noch über die Bürokratie auf. „Als es um den Übergang eines der Söhne in die weiterführende Schule ging, hätten acht DIN-A4-Bögen ausgefüllt werden müssen. Das ist doch nicht mehr normal“, sagt er kopfschüttelnd.

Auch die Schulen haben Franz Graves Nummer

Auch die Schulen der Kinder haben seine Nummer. Wenn es Probleme oder Fragen gibt, läuft der Kontakt schon mal über ihn. „Die Lehrerinnen und Lehrer rufen dann bei mir an.“

Mit seinem Smartphone hält er immer einen heißen Draht zu den Familien. Die Verständigung klappt mittlerweile reibungslos, weil zum Beispiel Maisah Ismail, eine der beiden Mütter, immer besser Deutsch kann. Sie bereitet sich gerade auf einen Sprachtest vor.

Eine Familie ist auf Wohnungssuche

Größtes Problem der Familie Ismail ist derzeit die Suche nach einer Wohnung. Aus der bisherigen Obdachlosenunterkunft mussten sie raus. Für längstens sechs Monate werden sie vom Amt anderswo einquartiert. Und müssen sich danach wieder etwas Neues suchen. Es sei denn, sie finden selbst etwas Passendes.

Franz Grave sucht deshalb schon länger nach einer dauerhaften Lösung für die derzeit noch fünfköpfige Familie. Bald sind sie zu sechst, die Mutter erwartet das vierte Kind. Einmal hätte es mit einer Mietwohnung fast geklappt, aber eben nur fast. Franz Grave will es weiter versuchen. „Mein größter Wunsch ist, dass sie bald doch noch eine vernünftige Wohnung finden.“

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