Sechs Experten und ihre Sichtweise zum Sakrament der Versöhnung

Fotos: Beichte – muss das sein?

Die Zeit vor Ostern nutzen viele Gruppen in der Erstkommunion auch zur Vorbereitung auf die erste Beichte. Wie läuft das heute ab? Welche Hilfestellungen gibt es für Eltern? Kann man auch per Internet beichten? Antworten in der Fotostrecke.

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Die klassische Erstbeichte findet vor der Erstkommunion statt. Es gibt aber auch immer mehr Pfarreien, die darauf verzichten. Sie bearbeiten das Thema Versöhnung trotzdem mit den Kindern zusammen oder feiern das Sakrament der Versöhnung bis zu einem Jahr später. Für Annette Höing, Leiterin des Referats Katechese im Bischöflichen Generalvikariat Münster, sind die Gründe für den Beichtrückzug vielfältig: „Zum einen erleben die Kinder dieses Sakrament nicht mehr in ihrem Alltag. Sie kennen es nicht von ihren Eltern.“

Zum anderen gebe es eine große Hilflosigkeit bei den Katechetinnen und Katecheten, da sie die Beichte in der Regel nicht mehr praktizieren und auch schlechte Erinnerungen mit ihr verbinden: „Das Sakrament hat eine belastete Tradition, es ist früher nicht als befreiend, sondern als herabwürdigend und kleinmachend erlebt worden. Obwohl 98 Prozent der Eltern heute die Beichte so nicht mehr erlebt haben sollten, hat sie dieses Image.“

Die Beichte an sich sei eine große Herausforderung, auch für Erwachsene: „Es kann weh tun, sich mit etwas zu konfrontieren, was nicht gut gelaufen ist.“ Die Theologin bemängelt fehlende Vorbilder in der Gesellschaft:  „Natürlich ist ein Fehler ein Fehler, aber der Umgang damit ist entscheidend.“

 

Kindern brauchen Hilfe, sich realistisch einzuschätzen

 

Die Psychoanalytikerin Helga Kohler-Spiegel von der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg rät Eltern, entspannt zu bleiben: „Es geht nicht darum, ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern darum, dem Kind zu helfen, sein eigenes Verhalten zu überdenken und realistisch einzuschätzen.“

Sie hält es aber grundsätzlich für wichtig, statt einer Fokussierung auf „Beichten – ja oder nein“ immer wieder die Selbstreflexion anzuregen: „Wie war mein Tag, wie war meine Woche? Was ist gelungen oder wo ist es wichtig, etwas zu korrigieren?“

Die Beichte als ausdrückliche sakramentale Form sei dennoch nicht überflüssig, weil sie für Menschen, die christlich lebten, eine ganz wichtige Form sei, um „diese Lossprechung und dieses Freiwerden aus eigenem Tun, aus Verstrickungen, zu erfahren.“

 

Beichten per WhatsApp?

 

Zu Burgkaplan Hanno Rother, Seelsorger an der Jugendburg Gemen, kommen viele Schulklassen und Gruppen, die sich in den unterschiedlichsten Formen mit dem Thema Versöhnung beschäftigen: „Das kann Mobbing in der Schule sein, Streit mit Freunden und in der Familie.“ Ist ein Abend der Versöhnung geplant, lädt er meistens zu einem offenen Einzelgespräch ein und diskutiert dann unter anderem die Frage „Was bedeutet mir Gott?“ In einzelnen Fällen kämen auch konkrete Beichtgespräche dabei heraus. Für Rother steht dabei die Ernsthaftigkeit im Vordergrund: „Wenn ich die Eucharistie wirklich so verstehe, dass ich Jesus sehr nahe sein möchte und er sich mir schenken möchte, dann möchte ich mich darauf vorbereiten.“ Dazu gehöre nicht nur, darüber nachzudenken, was nicht so gut läuft, sondern auch, was richtig gut läuft. Daraus folge dann die Motivation: „Das will ich anpacken, dass meine Beziehung zu Jesus, zu mir selbst, zu meinem Umfeld gut funktionieren kann.“

Was dagegen nicht funktioniert, ist eine Beichte per Whats App: „Soweit ich es überblicke, sind in der kirchenrechtlichen Literatur bislang die Möglichkeiten der Beichte per Telefon und per Internet diskutiert worden“, sagt Dr. Reinhild Ahlers, habilitierte Kirchenrechtlerin vom Bischöflichen Generalvikariat Münster. Für alle Kanäle müsse man überhaupt klären, inwiefern das Beichtgeheimnis gewahrt werden könne. Außerdem sei Buße nicht eine Sache von wenigen Mausklicks, sondern eine prozesshafte Interaktion eines Menschen mit sich, Gott und der Welt.

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