Der neue Leiter des Seelsorgeamts in Münster im „Kirche+Leben“-Interview

Frank Vormweg: „Wir brauchen mehr Zeit für Seelsorge“

Frank Vormweg übernimmt Mitte Mai die Leitung der Hauptabteilung Seelsorge im Generalvikariat mit 150 ­Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zudem wird er die Seelsorge im ganzen Bistum mitgestalten. Welche Erfahrungen bringt er dafür mit?

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Frank Vormweg übernimmt Mitte Mai die Leitung der Hauptabteilung Seelsorge im Generalvikariat mit 150 ­Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zudem wird er die Seelsorge im ganzen Bistum mitgestalten. Welche Erfahrungen bringt er dafür mit?

Kirche+Leben: Herr Vormweg, Sie waren bislang vor allem im Bereich des Personal- und Qualitätsmanagements tätig. Wie kommt man als Theologe zu diesem Arbeitsbereich?

Frank Vormweg: Bis 2002 war ich in der Pastoral im Bistum Münster tätig, damals in der Arbeit mit Jugendlichen, Katecheten und Multiplikatoren. Durch meine Arbeit mit Krankenpflegeschulen und meinen Zivildienst im Rettungsdienst habe ich mich immer schon sehr für die Arbeit im Gesundheitswesen interessiert. Ein berufsbegleitendes Studium in Arbeitswissenschaft beinhaltete auch Personal- und Qualitätsmanagement. In der Folge hatte ich die Chance, die ersten Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen zu zertifizieren, also verschiedene Qualitätsaspekte zu entwickeln und zu optimieren. Dabei haben medizinische, pflegerische, aber auch konfessionelle Aspekte des kirchlichen Krankenhauses eine Rolle gespielt.

In der Folge habe ich meine Qualifikation im Qualitätsmanagement ausgebaut, wurde mit dem Aufbau zentraler Dienste in einem Klinikverbund und der Verantwortung über das Personalmanagement betraut. Dabei ging es neben dem Aufbau einer großen Personalabteilung darum, qualifizierte Mitarbeiterinnen zu gewinnen und den ärztlichen Nachwuchs im ländlich geprägten Münsterland sicherzustellen.

Was bringen Sie von dort in die Leitung der Hauptabteilung Seelsorge mit?

Die Hauptabteilung Seelsorge mit den unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Bereichen leistet einen wichtigen Beitrag für die Pastoral im Bistum und die Zusammenarbeit zwischen Generalvikariat, den Pfarreien und pastoralen Orten. Die Qualität dieser Arbeit ist kein Zufall, sondern erfordert Zielklarheit, Orientierung an den Menschen und Zielgruppen unserer Arbeit, gute Kommunikation und vor allem die Ermöglichung einer hohen Selbstverantwortung aller. Ich freue mich, dies zukünftig mitgestalten zu können.
Ich bringe Offenheit und Neugier für die vielen seelsorglichen Ansätze und engagierten Mitwirkenden in unserem Bistum mit. Gute Ideen brauchen eine sinnvolle Struktur, klare Arbeitsprozesse, Motivation und kritische Ergebnisüberprüfung. Ich werde sicherlich meine Erfahrungen mit Arbeits- und Kommunikationsprozessen, Projekten und Veränderungsprozessen einbringen. Personalentwicklung und langfristige Personalgewinnung sind dabei wichtige Aspekte.

Ich glaube, die Kirche hat als Arbeitgeberin viel zu bieten, gerade auch in ihren seelsorglichen Aufgaben: selbstverantwortliche Aufgaben, eine große Freiheit, sinnvolle und wichtige Aufgaben. Seelsorge ist am christlichen Glauben orientiertes und auf professioneller Kompetenz beruhendes helfendes Handeln. Menschen bei der Bewältigung ihres Lebenswegs beistehen, nah sein – das ist wichtig und wird auch in Zukunft weiterhin wichtig sein.

Worauf kommt es am meisten an, um in Zeiten von Großpfarreien, Priestermangel und zurückgehenden Gottesdienstbesucherzahlen Kirche zu sein?

Die Relevanz des Glaubens finden und der eigenen Mutlosigkeit entgegentreten – das trifft aus meiner Sicht einen Aspekt, auf den es heute ankommt. Die Kirche befindet sich in einem starken Veränderungsprozess. Was sind die Zeichen der Zeit, welche Relevanz hat der Glaube im Leben? Das Leben in einer Großpfarrei ist eine große Herausforderung für den Pfarrer, die Pastoralreferentinnen und -referenten, das Seelsorgeteam, da gibt es nichts drum herum zu reden.

Ich sehe aber auch, dass noch nie so viele Menschen wie heute in der Kirche und in kirchlichen Einrichtungen engagiert und beschäftigt waren. Das ist eine große Chance. Vor Ort leisten Haupt- und Ehrenamtliche sehr viel und bringen Ideen ein, kümmern sich, erkennen Nöte der Menschen. Sie gestalten so die Kirche, das Gemeinwesen, ihre Einrichtungen und Orte mit. Ich glaube, dass viele Menschen sich einbringen möchten – die Kirche ist dafür ein wichtiger Ort und wird es auch zukünftig bleiben. Und ich glaube, dass viele Menschen die christliche Spiritualität für sich entdecken möchten.

Was bedeutet das konkret für Gemeinden?

Das Bistum Münster spricht im Pastoralplan von der „Bildung einer lebendigen und missionarischen Kirche vor Ort“. Eine Hauptabteilung Seelsorge wird diese Initiativen, Bewegungen und Bemühungen nach besten Kräften unterstützen.

Die Pfarrgemeinde wird klassischer Ort der Seelsorge bleiben, allerdings wird sich die Form verändern. Kirche muss erreichbar bleiben, insbesondere auch für Kasualien wie Taufe, Trauungen, Beerdigungen, Feiertage. Aber das Gesicht der Pfarrgemeinden wird sich verändern.

Wie wird das aussehen?

Seelsorger werden Seelsorge machen, indem sie sich den Fragen der Menschen zuwenden. Dafür muss mehr Zeit da sein, damit die Menschen aufgesucht werden können: in Schulen, in Betrieben, in kirchlichen Einrichtungen. Das Bild der Gemeinde wird sich verändern, damit offene Möglichkeiten entstehen, Glauben und Spiritualität zu leben, ohne sich vielleicht gleichzeitig stark zu engagieren. Das sind vor allem auch gottesdienstliche Angebote, Predigten, Kultur. Kirchenmusik ist dabei ein wichtiges Instrument.

Sie sind im Bistum Münster der erste Laie als Leiter des Seelsorgeamts, während Priester die Gemeinden leiten. Wie kann das gut gehen?

Priester und Laien arbeiten schon heute im Bistum vertrauensvoll und konstruktiv zusammen. Das Zweite Vaticanum spricht vom gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen, was sich in unterschiedlichen Charismen widerspiegelt. Ich werde von meiner Seite den Dialog suchen, mit Wertschätzung auf Gemeinden, Pfarrer, Kapläne, Diakone, Pastoralreferentinnen und -referenten, pastorale Orte zugehen, mit Neugier und Interesse nachfragen, mich und uns einbringen.

Ich finde, im Beruf kommt es darauf an, seine eigenen Stärken zu entdecken und zu entwickeln, sein Charisma zu finden. Am meisten bringe ich da ein, wo ich gerne bin, wo ich konstruktiv mitwirke, wo ich zwischen den Pflichten und Aufgaben Erfüllung finde, die andere Menschen spüren können.

Leicht wird es dennoch nicht werden ...

Mir ist dabei bewusst, dass es auch viele schwierige Situationen in der neuen Aufgabe als Hauptabteilungsleiter Seelsorge geben wird. Konflikten kann ich nicht ausweichen, das macht es meist nur viel schlimmer. Wo Ressourcen begrenzt sind, werden warme Worte kaum weiterhelfen. Als Personalverantwortlicher hilft mir in schwierigen Situationen der Grundsatz, dass jeder Mitarbeiter ein Anrecht auf Ehrlichkeit hat. Ich denke, dass ich dies auf meine neue Verantwortung in der Hauptabteilung Seelsorge übertragen kann. Dabei habe ich die Hoffnung, dass da viele sind, mit denen wir Herausforderungen gemeinsam angehen können. Und den Glauben, dass wir so gemeinsam unsere Kirche aufbauen.

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