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Ausgerechnet ihr Gründungskloster in den Niederlanden hat keine Zukunft. Katharina Kluitmann begleitet die alten Schwestern und sagt, worauf es ankommt.
Schwester Katharina, vor einigen Wochen waren Sie in Rom zum Generalkapitel Ihres Ordens. Vermutlich wird es dort ähnlich sein wie bei anderen Gemeinschaften: In südlichen Teilen der Erde wächst er, hierzulande sieht es düster aus. Wie gehen Sie damit um?
Wir sind eine Ordensgemeinschaft mit 1.000 Schwestern weltweit. Von unseren elf Provinzen wächst allein die in Tansania. Stabil sind die Provinzen in Indonesien und Polen, alle anderen gehen zurück. Aber wir haben entschieden, dass wir keine Schwestern irgendwo abziehen, um anderswo Lücken zu stopfen. Es gibt überall Not und Notwendigkeiten, wir wollen niemanden ausbeuten.
Sie sind als engagierte Ordensfrau bekannt, auch als Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz vor einigen Jahren, aber nur wenige wissen, dass Sie auch Psychologin und Oberin der Gründungsprovinz Ihrer Gemeinschaft in den Niederlanden sind – wenn ich so sagen darf: als Sterbebegleiterin dieses Mutterhauses. Wie kam es dazu?
Als meine Amtszeit als Provinzoberin in Deutschland zu Ende ging, machte sich die dortige Oberin – damals fast 90 – Gedanken darüber, wie es mit ihnen weitergeht, wenn von den damals noch 31 Schwestern keine mehr Leitung übernehmen kann. Darum hat sie mich gefragt, ob ich helfen könne. Also habe ich Niederländisch gelernt, mich in die Aufgaben und kirchenrechtlichen Bestimmungen eingearbeitet. Die Schwestern wollten, dass ich nicht von außen ernannt, sondern wirklich gewählt werde. Eine der Schwestern sagte: „Catharina hat hier angefangen, Katharina hört hier auf.“ Unsere Gründungsschwester hatte nämlich denselben Namen wie ich. Das hat mich sehr bewegt.
Das klingt bei allem Pathos sehr pragmatisch.
Das ist auch so. Sie müssen sich vorstellen: Diese Gemeinschaft hat – wie die Mehrheit der niederländischen Gemeinschaften – schon vor 40 Jahren beschlossen, dass sie jetzt sterben.
Vor 40 Jahren schon?
Vor 40 Jahren schon. Sie haben beschlossen, niemanden mehr aufzunehmen. Das war damals eine Bewegung in den Niederlanden: Man glaubte, dass Orden keine Zukunft mehr haben werden. Als ich im Oktober 2021 gewählt wurde, gab es in Heythuysen noch 31 Schwestern, heute sind es 21, die Jüngste ist 82, das Durchschnittsalter 90,7.
Diese Gemeinschaft weiß also, dass es nicht weitergeht. Wie schwer ist das?
Es ist schwer, keine Frage, und das muss man ernstnehmen. Die Ordensobernkonferenz in den Niederlanden spricht von einem „Prozess der Vollendung“. Da ist was dran! Aber es ist eben auch traurig, denn es sterben einzelne Schwestern, es stirbt die Provinz.
Welche Wünsche haben die Schwestern?
Sie wollen, dass die Oberin nicht mehr wechselt. Und sie wollen nicht mehr umziehen. Das war eine große Aufgabe, das Mutterhaus so zu veräußern, dass alle dort wohnen bleiben können. Das ist uns im Sommer gelungen. Einer weltlichen Pflegeeinrichtung gehörte bereits ein Großteil des Hauses, ihr haben wir nun auch den Rest verkauft – verbunden mit einem Wohnrecht auf Lebenszeit und der Pflege für diese 21 Schwestern. Wenn man das frühzeitig angeht, geschehen Wunder.
Welche Wunder?
Themenwoche: Klöster mit Zukunft?
Klöster sind für viele Menschen trotz Kirchenkrise Bezugspunkte und Kraftorte. Dennoch fehlt vielen Orden und Gemeinschaften der Nachwuchs. Kirche+Leben widmet sich der Zukunft der Orden und stellt Menschen vor, die vom Klosterleben profitieren oder profitiert haben.
Zum Beispiel, dass ein Lift im Altenheim kaputtging, in dem eine Gruppe der Schwestern lebte. Die mussten also auf Zeit zurückziehen in die dritte Etage des Mutterhauses, die damals schon von der Pflegeeinrichtung genutzt wurde. Dann haben wir gesagt: Lasst sie doch da bleiben! Und jetzt wohnen unsere Schwestern im Mutterhaus und werden wie im Altenheim gepflegt. Ich denke aber auch an die Geschichte mit dem Kreuz.
Die müssen Sie erzählen!
Auf dem Friedhof ist netterweise ein altes Kreuz kaputtgegangen. Jetzt gibt es ein neues, großartig gestaltet von den „Lackaffen“, einer Münsteraner Sprayer-Firma. Das wird ganz toll! Überhaupt haben wir einen Gedenkort auf dem Friedhof gestaltet mit einer uns wichtigen, frisch restaurierten Figur eines früheren Friedhofs, auch mit einem Gedenkstein für die verstorbenen Franziskanerinnen von Heythuysen. Und wir haben uns von unserer großen Kapelle mit fast 300 Plätzen verabschiedet, in der wir zuletzt mit zehn, 20 Menschen saßen. Jetzt haben wir in der ausgeräumten Bibliothek eine neue Kapelle eingerichtet.
Was könnten andere Gemeinschaften, was könnte die Kirche insgesamt aus diesen Erfahrungen lernen, um mit dem ständigen „Immer weniger“ unserer Kirche umzugehen?
„Immer weniger“ blickt zurück. Lassen Sie uns schauen, was jetzt ist. Gott ist nicht weg, nur weil wir weniger sind. Gott ist da drin. Wir brauchen neue Rituale – darin ist die Großkirche nicht so gut. Es braucht Abschiedsrituale, von Mitschwestern, von Räumen. Und: Wie feiern wir Rituale, wenn wir keine Priester mehr haben? Wir hatten in Heythuysen ein halbes Jahr lang keine Eucharistiefeier – Ostern und Weihnachten eingeschlossen. Eine großartige Pastoralreferentin hat uns begleitet und sehr gut geschaut: Was brauchen die Schwestern?
Kurzum: Was braucht eine solche Gemeinschaft?