2020 soll Jahr an der Seite der Armen werden

Freckenhorster Kreis klagt Umgang mit den Armen an

Der Freckenhorster Kreis hat 2020 zum „Jahr an der Seite der Armen“ erklärt. Die Mitglieder beschäftigen sich in einem mehrstufigen Prozess mit der Armut in ihrem Umfeld. FK-Sprecher Pfarrer Ludger Funke macht auf Menschen in Altenheimen aufmerksam. 

Anzeige

Der Freckenhorster Kreis  (FK) hat 2020 zum „Jahr an der Seite der Armen“ erklärt. Die Mitglieder beschäftigen sich in einem mehrstufigen Prozess mit dem „verstörenden Phänomen“. Beim zweiten Treffen ging es um die Wahrnehmung von Armut im Alltag.

FK-Sprecher Pfarrer Ludger Ernsting begegnet bedürftigen Menschen nahezu täglich als Leiter  der Gastkirche in Recklinghausen. „Die eine Frage ist: Was bedeutet Armut für die Betroffenen?“, erklärt Ernsting. „Die andere lautet: Was macht Armut mit denen, die hin- und nicht wegschauen?“

 

Der Kinobesuch und ein Eis sitzen nicht drin

 

FK-Mitglied Mathilde Laubrock möchte, „dass das Thema bei den Bildungsbürgern ankommt“. FK-Sprecher Pfarrer Ludger Funke macht auf die Lage von Menschen in Alten- und Behindertenheimen und in der Psychiatrie aufmerksam. „Je mehr ich mich mit dem Einzelfall beschäftige, umso hilfloser bin ich“, sagt er.

Christiane Meermann vom Rat der Gastkirche weiß, was ein Leben mit wenig Geld bedeutet. „Ein Kinobesuch oder ein Eis für einen Euro sitzen nicht drin. Wer in jungen Jahren aufgrund von Krankheit frühberentet wird, muss zunächst seine Ersparnisse aufbrauchen, bis er Transferleis­tungen bekommt. Fürs Alter bleibt da nichts übrig.“

 

Kein guter Stand auf dem Amt

 

Meermann sieht vor allem Frauen von Armut bedroht. „Sie haben Kinder erzogen und oft nur eine kleine Rente.“ Witwen, die Geld verdienen wollten, würde der Zuverdienst anteilig von der Rente abgezogen. „Die Frauen haben kaum eine Möglichkeit, ihre schwierige Situation zu verbessern.“

David Schütz vom Fachdienst Gemeindecaritas beim Caritasverband in Haltern am See stellt fest, dass der Umgang der Behörden mit Menschen, die auf  Sozialhilfe oder Hartz IV angewiesen sind, zuweilen zu wünschen übrig lässt. Bedürftige fühlten sich häufig ausgeliefert und schlecht beraten. Viele berichteten später von verstörenden Erlebnissen.

 

Pflege kann arm machen

 

„Wer nicht unterwürfig ist, bekommt Gegendruck“, sagt Schütz. „Allein die Anwesenheit von ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Begleitern verändert die Situation“, erklärt er. „Da müssen wir präsenter sein.“ Schwester Klara Maria Breuer vom Treffpunkt an der Clemenskirche in Münster unterstreicht die Notwendigkeit von Anlaufstellen für Wohnungs- und Obdachlose. „Kürzlich hatte jemand nicht einmal ein Paar gleiche Schuhe an den Füßen. Wir haben ihn mit Schuhen, einem T-Shirt, einem Mantel und einer warmen Mütze versorgt.“

Ludger Ernsting berichtet über einen Mann, der durch die Pflege seiner alten Mutter verarmt ist. Er habe seine Arbeit aufgegeben, zunächst von den Rücklagen gelebt und sich später seine Betriebsrente auszahlen lassen, um weiter pflegen zu können.

 

„Man kann auch mit den Verfahrens-Buchstaben Menschen erschlagen"

 

„Nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch streiten sich nun seit drei Monaten die Behörden vor Gericht: Ist der Mann ein Fall fürs Arbeitsamt oder für die Krankenversicherung?“ Zurzeit lebe er „von netten Leuten, die ihm Geld geben“, so Ernsting. „Man kann auch mit den Verfahrens-Buchstaben Menschen erschlagen“, kritisiert der FK-Sprecher die Dauer mancher  Rechtshändel.

Anzeige