Jens Joest über den Missbrauchsskandal und die Reaktionen

Freiburg, Rom und Trier – wie die Aufarbeitung in der Kirche stockt

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Der Bericht zu sexualisierter Gewalt im Erzbistum Freiburg und der Fall eines verstorbenen saarländischen Priesters des Bistums Trier lassen erneut nach dem Stand der Aufarbeitung in der katholischen Kirche fragen. Die hat noch Luft nach oben, findet unser Redakteur Jens Joest.

Seit Ostern lässt sich beobachten, wie Wesentliches bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche weiter falsch läuft – in Freiburg, Rom und Trier.

Die Empörung nach der Freiburger Missbrauchsstudie konzentriert sich stark auf Robert Zollitsch. Ab 1983 war er Personalreferent im Erzbistum, von 2003 bis 2014 Erzbischof. Er hat 30 Jahre lang beruflich mit Priester-Tätern und Beschuldigten zu tun gehabt, war an Versetzungen und anderer Vertuschung beteiligt.

Zollitsch wird sich noch erklären müssen

Zwar ist es löblich, dass Zollitsch angesichts der Studie auf die erwartbare Betroffenheits-Phrase verzichtet hat. Aber er wird sich noch erklären müssen.

Damit könnte er dem Vatikan Beine machen, der im Umgang mit Bischöfen eher zaudert: Den Hamburger Erzbischof Stefan Heße beließ der Papst trotz Pflichtverletzungen im Amt, beim von Franziskus erbetenen Rücktrittsangebot des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki geschieht seit Monaten – nichts.

Wie entscheidet Rom im Fall Zollitsch?

Zollitsch könnte von sich aus anbieten, auf bischöfliche Rechte zu verzichten. Vielleicht hat er noch weitere Ideen. Vieles wäre eher symbolisch. Aber irgend eine Reaktion wird es brauchen.

Auch Rom wird handeln müssen, da ein kirchenrechtliches Verfahren gegen Zollitsch läuft. Diese Entscheidung wird erneut zeigen, wie ernst es Rom mit Sanktionen für Bischöfe wirklich ist.

Konfuse Kommunikation in Trier

In Trier schließlich sorgt der Fall eines Priesters für Aufsehen, der mutmaßlich jahrzehntelang sexualisierte Übergriffe verübte und auf Fotos dokumentierte. Auch wenn das Bistum Trier darauf verweisen kann, den Priester 2012 sanktioniert zu haben: Die Kommunikation läuft gründlich schief, wenn der Neffe des Pries­­ters nach Gesprächen mit Zuständigen im Bistum den Eindruck gewinnt, gefundene Beiweismittel vernichten zu sollen. Oder wenn das Bistum erst auf öffentlichen und Medien-Druck ein Schulministerium in die Aufarbeitung einbindet, obwohl der Pries­­ter Schulseelsorger war.

Wenn ein Bistum noch immer so intransparent handelt, bleibt die Frage, ob der Fokus beim Thema Missbrauch wirklich auf der Hilfe für Betroffene und Angehörige liegt. Da aber gehört er hin.

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