Pater Daniel Hörnemann OSB: Ostern bezeichnet den Sieg auch über den Krieg

„Friede sei mit euch“ – ein Leid-Artikel zu Ostern

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„Der Friede sei mit euch“, sagt der auferstandene Jesus am Ostertag seinen Jüngern. In jeder Eucharistiefeier wird dieser Wunsch wiederholt. Wie klingt das angesichts des Krieges in der Ukraine? Ein geistlicher Leid- und Leitartikel von Pater Daniel Hörnemann aus der Benediktinerabtei Gerleve.

Es schien alles so selbstverständlich. Wir hatten doch jetzt 77 Jahre Frieden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Selbst der Mauerfall und die Wende sind friedlich verlaufen. Was sollte sich da großartig ändern? Die Themen Flutkatastrophe, Pandemie und vielleicht noch Klimaveränderung standen auf der Agenda. Bis zum schrecklichen Erwachen am 24. Februar: Der russische Despot Wladimir Putin setzt alle Regeln der Menschlichkeit außer Kraft und befiehlt die Invasion in der Ukraine.

Auf einmal herrscht Krieg in Europa. Trauernde stehen wie die alte Frau in der Kathedrale von Lwiw (Lemberg, unser Bild) vor den Bildern Gefallener und Vermisster in der Ukraine wie in Russland. Nun werden auch hierzulande die Ängste wieder wach bei alten Menschen, die noch wissen, was Sirenengeheul bedeutet und wie es war, in den Keller oder Bunker zu flüchten. Sie hatten angenommen, so etwas nie wieder erleben zu müssen. Was wir für fest und unumstößlich hielten, ist zerbrechlich geworden.

Wie klingt die Friedensbotschaft in diesen Zeiten?

Da müssen wir nun durch? Kann man in solchen Zeiten und auf diesem Hintergrund die Osterbotschaft noch ernst nehmen? Oder ist das Wort vom Osterfrieden bloßer Seelenbalsam? Für naiv wird gehalten, wer noch meint, durch Glauben und Beten könne der Friede wiederhergestellt werden.

Stimmt man da nicht besser in die Zeilen einer Dichterin ein: „Ich möcht in dieser Zeit nicht Herrgott sein / Und wohlbehütet hinter Wolken thronen, / Allwissend, dass die Bomben und Kanonen / Den roten Tod auf meine Söhne spein. / Wie peinlich, einem Engelschor zu lauschen, / Da Kinderweinen durch die Lande gellt. / Weißgott, ich möchte um alles in der Welt / Nicht mit dem Lieben Gott im Himmel tauschen.“

Wo ist der Friede? Wo ist Gott? Warum dieses Leid?

1945 erschienen diese „Verse für keinen Psalter“ der Großstadtdichterin Mascha Kaléko, die aus Nazi-Deutschland emigrieren musste und in der Poesie einen Weg fand, ihrer Heimatlosigkeit zu entrinnen. Nein, sie wollte „in dieser Zeit nicht Herrgott sein“. Die Judenverfolgung, den grauenvollen Zweiten Weltkrieg und seine Unbegreiflichkeit vor Augen schrieb sie diese Zeilen.

Damals hatte der Herrgott anscheinend keine Sprechstunde für die Seinen. Da erschien er schweigend, unbekümmert, abwesend. Wie sollte die Dichterin als Mutter das, was sie selbst nicht verstand, auch noch ihrem Kind erklären? Ihr Gedicht rührt an die Urfragen des Menschen: Wohin ist der Friede? Wo ist Gott? Warum dieses Leid?

Muss die Frage nicht lauten: Wo ist der Mensch?

Doch ist das nicht eine Ebene zu hoch? Müssten wir diese Fragen nicht eher auf unsere Ebene bringen: Wo ist der Mensch? Warum tun wir uns das an?

Die Zeilen der Mascha Kaléko haben leider nichts von ihrer Aktualität und Brisanz verloren, da die Kriegstreiber so viele Waffen angehäuft haben, dass sie sich quasi gezwungen sehen, sie unheilvoll einzusetzen. Nein, in solcher Zeit möcht ich auch nicht Herrgott sein, da möcht ich am liebsten nicht mal Zeitgenosse sein. Gab und gibt es je eine Zeit, in der es Gott gefällt, was seine Menschen so treiben?

Frieden als Ostergabe

Wo bleiben wir mit unserem Wunsch „Der Friede sei mit euch“, den wir wieder und wieder in der Messe hören? Durch die Pandemie bedingt verzichten wir seit zwei Jahren auf äußere Zeichen der Berührung, die die Worte unterstreichen und das Gesagte spürbar machen könnten. Diesen Friedensgruß gebrauchte der auferstandene Jesus in den Evangelien nach Lukas und Johannes. Sonst fordert er sie immer auf: „Fürchtet euch nicht!“

Von Erschrecken und großer Angst spricht auch Lukas, Jesus beruhigt die Jünger mit dem Friedenswunsch. Die Ostergabe des Auferstandenen, der Friede, vertreibt alle Todesangst. Sie löst die Schockstarre, in welche die Jüngerinnen und Jünger verfallen waren.

Wenn Friede einzieht, verwirklicht sich Ostern

Aus Furcht hatten sie die Türen verrammelt. Sie wollten die böse Welt draußen lassen. Drinnen herrscht bedrückende Enge. Nun sitzen sie wie im Bunker, wie im Grab. Der Auferstandene muss stark intervenieren, um zu ihnen durchzudringen und sie aus ihrer Erstarrung zu lösen. Wann immer der österliche Herr Menschen begegnet, spricht er ihnen Frieden zu, ein untrügliches Zeichen der Nähe Gottes. Wenn Friede einzieht, verwirklicht sich Ostern.

Gott ist kein Kriegsgott, er lässt sich nicht dazu instrumentalisieren. Seine Bewegung ist eine Friedensbewegung. In Gebet und Solidarität verbinden wir uns mit allen Menschen, die Frieden suchen. Im Beten geben wir der Klage über den Krieg, der eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit und solidarisch der Verzweiflung der Opfer eine Stimme. Wir verstummen nicht mutlos angesichts der auf uns zurollenden Ereignisse.

Ostern schenkt Hoffnung

Ostern lässt uns darauf hoffen, dass die Mächte des Todes und das egoistische Handeln der Kriegstreiber überwunden werden können. Nur ein einziges Mal ist in der Bibel vom „heiligen Krieg“ die Rede. Diesen führt Gott selbst gegen alle menschliche Hybris und militärisches Machtgebaren (Joel 4,9). Verschiedene Propheten haben die Vision weltweiter Abrüstung und bleibenden Friedens.

Gott hat dem Krieg den Krieg angesagt. Alle Gewalt muss enden, damit auf Erden Friede, Ruhe und Sicherheit einkehren. Ostern bezeichnet den Sieg über Krieg und Tod zugunsten von Frieden und Leben.

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