Münsteraner Fachgespräche zur katholischen Theologie

Für Theologiestudenten sind Großeltern oft Bezugspersonen

Aus welchem Milieu kommen Theologiestudenten und was sind ihre Motive für die Wahl des Studienfachs? Darum ging es bei den Münsteraner Fachgesprächen mit 70 Teilnehmern aus ganz Deutschland und der Schweiz.

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Nach Ansicht des Köln Psychologieprofessors Michael Ley beginnen Studenten heutzutage ein Theologiestudium aus sehr unterschiedlichen Gründen. „Das Berufsbild stellt sich für Studenten, Referendare, fertige Lehrer und Pastoralreferenten ganz verschieden dar“, sagte der Leiter des Kölner Instituts für qualitative Bildungsforschung bei den Münsteraner Fachgesprächen zur Zukunft des Theologiestudiums. „Den Theologiestudenten als solchen gibt es nicht, aber an den Studenten insgesamt kommen wir nicht vorbei.“

Erstmals kamen im Rahmen einer Fachtagung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster Studenten, Lehrende verschiedener theologischer Fakultäten an deutschen Hochschulen, Repräsentanten der Bistümer und andere Arbeitgeber zusammen. Sie tauschten sich über die Zukunft der Theologie aus und entwickelten gemeinsam Handlungsoptionen und Visionen zu entwickeln. Organisiert wurden die Fachgespräche mit dem Titel „Katholische Theologie im Kreuzfeuer der Interessen“ von Barbara Zimmermann, Koordinatorin Hochschuldidaktik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, und Andree Burke, Koordinator des Netzwerkbüros Theologie und Beruf. An der Tagung nahmen 70 Frauen und Männer aus Deutschland und der Schweiz teil.

 

Theologiestudenten stammen aus normalen Kleinfamilien

 

Im Rahmen einer qualitativen Studie der Sozialforschung hatte Ley in der Region Köln/Aachen Studierende nach den Motiven für ihr Theologiestudium befragt. Die Studie hatte ergeben, dass heutige Theologiestudenten aus normalen Klein-Familien stammen und sehr engen Kontakt zur Kirche oder Gemeinde haben. Ley: „Die Eltern dieser Studenten, die in den 90er Jahren geboren sind, fühlen sich den alten Traditionen und Werten noch verpflichtet, aber gleichzeitig sind ihre Grundhaltungen ambivalent.“ Deshalb hätten sie häufig an ihre Kinder den Auftrag weitergegeben, die Traditionen fortzusetzen, die sie selbst aufgegeben hätten.

Die eigentlichen religiösen Bezugspersonen, das „Urbild des Glauben“, seien für viele Studenten nicht die Eltern, sondern die Großeltern. Auch dem Pfarrer vor Ort werde Bewunderung und Respekt entgegengebracht; viele seien zudem gebannt und gefesselt von den religiösen Themen und biblischen Geschichten, die ihnen der Religionslehrer vermittle. „Diese Chance wird von vielen unterschätzt“, urteilte Ley. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass in der Pubertät bei allen, auch den Kirchennahen, eine religiöse Lebens- und Sinnkrise einsetze, die auch mit Misstrauen gegenüber den prägenden Bezugspersonen verbunden sei.

 

Psychologieprofessor Ley: Sie werden Ihr blaues Wunder erleben

 

„Sie werden vor solchen Klassen Ihr blaues Wunder erleben“, wandte sich Ley direkt an die anwesenden Religionslehrer. „Aber das ist bei den Schülern keine Abwendung von der Religion oder vom Glauben, sondern lediglich ein Wandel in der Sicht der Dinge. “ Während sich aber bei den meisten nach der Pubertät die Religiosität in Formen einer rein privaten Frömmigkeit zurückziehe, geschehe das bei den Religionslehrern nicht, so Ley. „Sie haben sich für ihr Studium entschieden, weil sie sich für eine Weiterentwicklung der Glaubensbasis engagieren wollen“, erläuterte der Psychologe. „Sie empfinden eine starke Verpflichtung gegenüber ihrer Herkunft und besitzen ein Sendungsbewusstsein.“

Johanna Tannen und Florian Tiede, Vorstandsmitglieder der Arbeitsgemeinschaft Theologie (AGT), der Interessenvertretung aller deutschen Theologiestudenten,  informierten anschließend über die Interessen der gegenwärtig Studierenden. Dabei stellten sie heraus, dass die Motive, Theologie zu studieren, sehr unterschiedlich sein könnten. Gut läuft nach Ansicht der beiden Studenten die Vernetzung im Studium; auch die offene und angenehme Gesprächskultur, die grenzüberschreitende Diversität und Toleranz sowie die guten Erfahrungen von Fachschaftsvertretern mit der studentischen Mitbestimmung wurden hervorgehoben. Die beiden AGT-Vertreter meldeten aber auch deutliche Kritik an.

 

Klage über verschultes Studium und zu geringem fachübergreifendem Denken

 

„Die Wahlfreiheit im Studium wird häufig als Wahlzwang wahrgenommen“, urteilten Tannen und Tiede. „Das Studium wird verschult, und es mangelt an fachübergreifendem Denken. Auch sollte die Anerkennung von studentischen Leistungen gegeben sein.“ Ausdrücklich mahnten die beiden Studentenvertreter darüber hinaus mehr Aktualitätsbezug in der Lehre und mehr Transparenz bei der Notenvergabe und der Ausschreibung studentischer Hilfskrafts-Stellen an.

Tannen und Tiede unterstrichen, dass Theologiestudenten in Beziehung zur Gesellschaft treten sowie glaubhaft, plausibel und verständlich sein wollten. „Sie wünschen sich viel mehr politische Unterstützung und eine stärkere Subjektorientierung“, betonten sie. „Die Stärken der Theologie als Studienfach müssen beibehalten und ausgebaut, Studenten aber stärker mit ins Boot geholt und an den Planungen beteiligt werden.“

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