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Gregor Bellin betreut mit einem evangelischen Kollegen die Stadionkapelle im Berliner Olympiastadion. Vor den Heimspielen von Hertha BSC finden hier ökumenische Gottesdienste statt. Im Interview spricht er über den Fußballgott und blickt auf das Finale der EM, das in „seinem“ Stadion stattfindet.
Herr Bellin, ist man hier in der Stadionkapelle dem Fußballgott näher?
Man ist Gott prinzipiell immer nahe, dem „Fußballgott“ aber wohl weniger, denn den gibt es gar nicht. Der Gott, zu dem wir beten, der mag zwar sicher auch Fußball, aber er ist kein Fußballgott.
Warum nicht?
Das ist mir vom Gottesbild her zu eng geführt. Jesus Christus ist nicht als Fußballgott in diese Welt gekommen, sondern als Heiland dieser Welt, um allen Menschen Heil zu bringen. Dem Gegner, der hier Fußball spielt, genauso wie den eigenen Leuten. Er ist für alle da. Und dann merkt man, dass dieser Glaube verbindet.
Was erleben Sie als Stadionseelsorger?
Das Leben spielt hier in seiner ganzen Bandbreite. Es gibt da auch Kurioses: Hier war mal ein Pokal-Endspiel von Hertha gegen Schalke. Die Herthaner sagen „Gelsenkirchen“, da gibt es nämlich keine Fanfreundschaft zwischen den beiden Vereinen. Die Fans aus Gelsenkirchen standen in der Ostkurve. Und als die neue Saison anfing, kamen Vertreter von Fanclubs zu mir und sagten: Sag mal, du bist doch so etwas Ähnliches wie ein Pastor. Kannst du da nicht eine Exorzismusformel in der Ostkurve sprechen? Da merkt man, dass bestimmte Relikte noch in den Köpfen vorhanden sind. Ich habe übrigens keine Exorzismusformel gesprochen, um das deutlich zu machen.
Welche Gemeinsamkeiten zwischen Fußball und Glaube sehen Sie?
Es gibt natürlich viele Parallelen, die zwischen Glaubensleben und Fußballfans stattfinden. Die Fans ziehen in Kolonnen, also „pilgern“ zum Stadion in einer gewissen Prozessionsordnung. Man hat einen Vorsänger, wie ein Kantor im Gottesdienst; der gibt vor und die Kurve antwortet. Man singt gemeinsam. Alles folgt einem gewissen Ablauf, ähnlich wie einem liturgischen Ablauf. Es gibt Reliquienverehrung in der Kirche. Und hier, wenn das Trikot in die Kurve geworfen wird, ist es helle Begeisterung…
Ein bekannter Fangesang ist „You‘ll never walk alone“. Das kann man vom Inhalt her auch religiös deuten.