Zwischen Gebet und Protest

G20-Gipfel in Hamburg – und was machen die Kirchen?

Vor dem G20-Gipfel in Hamburg melden sich auch die beiden großen Kirchen zu Wort. Sie wollen das Treffen kritisch begleiten – ohne es grundsätzlich infrage zu stellen. Im Gegensatz zu manch anderen Demonstranten.

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Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der G20 am 7. Juli zum Konzert in der Elbphilharmonie treffen, dann werden in vielen Gotteshäusern Norddeutschlands 21 Glockenschläge ertönen. Sie rufen zu 21-minütigen Andachten, bei denen die Christen um den Frieden beten wollen. Die Zahl 21 soll nach Angaben der katholischen und evangelischen Kirchen daran erinnern, dass am Verhandlungstisch der G20 wichtige Stimmen fehlen, insbesondere Länder aus dem globalen Süden.

Besonders lang ist das Gebet im Ökumenischen Forum Hafen-City: Am ersten Gipfeltag beginnt um 18 Uhr ein 24-Stunden-Gebet mit Liedern, Meditationen, Lesungen und Zeiten der Stille.

 

Eugen Drewermann und Hartmut Rosa bei Open-Air-Andacht

 

Eine Open-Air-Andacht ist am Verlagsgebäude von Gruner+Jahr in Sichtweite der Elbphilharmonie geplant. Bevor das G20-Konzert dort beginnt, blasen Posaunen für den Frieden. Es sprechen der Theologe Eugen Drewermann und der Philosoph Hartmut Rosa.

Die Friedensgebete sind eine von vielen Aktionen, die die Kirchen rund um das zweitägige G20-Gipfeltreffen starten. Die evangelische Nordkirche und das katholische Erzbistum Hamburg rufen gemeinsam mit etwa 40 weiteren kirchlichen Initiativen zur kritischen Begleitung des Ereignisses auf: „global gerecht gestalten“ heißt das Motto des eigens gegründeten Bündnisses.

 

„Hamburg zeigt Haltung“ erwartet 10.000 Demonstranten

 

Grundsätzlichen Widerstand gegen das Treffen der G20 wolle man aber nicht leisten, wie Erzbischof Stefan Heße betont. Denn zunächst einmal sei es ja nicht verkehrt, wenn Staatschefs zusammenkommen, um miteinander zu reden. „Ich halte es für wichtig, dass es diese Gipfeltreffen gibt.“ Sie böten eine Chance, das Leben der benachteiligten Menschen zu verbessern. Seine evangelische Kollegin, Kirsten Fehrs, bringt es auf den Punkt: „Wir sind nicht gegen G20, sondern gegen Umweltzerstörung und ungerechte Wirtschaftsstrukturen.“

Offiziell ruft das kirchliche Bündnis nicht zur Teilnahme an Demonstrationen auf. Im Mai gaben Heße und Fehrs jedoch bekannt, dass sie sich einer Protestaktion unter dem Motto „Hamburg zeigt Haltung“ anschließen – als Einzelpersonen. Die Beteiligten rufen zu einer Demonstration am 8. Juli auf, die friedlich von der Hauptkirche Sankt Katharinen zum Fischmarkt ziehen soll. Zuvor ist ein ökumenischer Gottesdienst geplant. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit rund 10.000 Teilnehmern.

 

Katholische und evangelische Schulen beten gemeinsam

 

Mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche der katholischen und evangelischen Schulen treffen sich bereits am Donnerstag (6. Juli) um 8 Uhr und beten gemeinsam für den Frieden, die Umwelt und gegen Armut.

Beteiligt sind aber auch andere Religionsgemeinschaften. Am Vorabend des G20-Gipfels treffen sich Vertreter der großen Religionen um 18 Uhr zum Friedensgebet in der Universität. Unter dem Motto „Religionen erheben ihre Stimme“ wollen Aleviten, Bahai, Buddhisten, Christen, Hindus, Juden und Muslime gemeinsam ein Zeichen für Frieden und Gerechtigkeit setzen.

 

Overbeck und Spiegel skeptisch

 

Die Erwartungen kirchlicher Vertreter an den Gipfel sind indes gedämpft: Er sei „eher skeptisch als zuversichtlich“, sagte Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Vielleicht müsse man es schon als Wert an sich betrachten, dass der Gipfel überhaupt stattfinde „in diesen unruhigen, nationalistisch orientierten Zeiten“. Dringend erforderlich ist aus seiner Sicht eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Armen.

Der katholische Sozialbischof Franz-Josef Overbeck aus Essen wünscht sich zudem Fortschritte im Einsatz für den Frieden im mittleren und Nahen Osten sowie im Kampf gegen die globale Erwärmung. „Angesichts der augenblicklichen Verfassung der internationalen Gemeinschaft ist hier aber große Skepsis angebracht“, so Overbeck.

 

Merkel: Es geht schrittweise voran

 

Eine kritische Auseinandersetzung mit den G20-Themen fand bereits im Vorfeld des Gipfels statt. Mitte Juni kamen Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus über 50 Ländern zum sogenannten Civil20-Gipfel in Hamburg zusammen, darunter auch Misereor. Globale Gesundheit, Klimaschutz und die Beziehung der G20 zu Afrika standen auf der Tagesordnung. Eine Abschlusserklärung wurde an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben.

Dass die Regierungschefin dafür eigens anreiste, wurde als große Geste gedeutet. Allerdings dämpfte auch Merkel die Erwartungen: „Wir werden nicht alles erfüllen können, was Sie sich vorstellen, aber es geht schrittweise voran.“

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