Münsteraner Forscher: Reformen setzen Schuldeingeständnis voraus

"Ganze Kirche hat versagt" - Soziologe Pollack nach Münchner Gutachten

  • Kirchliche Reformen müssten von einem Schuldeingeständnis der Verantwortlichen ihren Ausgang nehmen, meint der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack Pollack.
  • Pollack zeigt sich "schockiert" vom Ansehensverlust der katholischen Kirche.
  • Vorwürfe bis zu Benedikt XVI. zeigten "neue Qualität": Die ganze Kirche habe versagt.

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Kirchliche Reformen müssten von einem Schuldeingeständnis der Verantwortlichen ihren Ausgang nehmen, meint der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack. Seinem Eindruck nach seien dazu auch Priester und Bischöfe bereit. "Dass sie beschämt sind und es zukünftig anders machen wollen, nehme ich ihnen ab", so Pollack. "Aber viele Menschen glauben ihnen nicht mehr."

Pollack zeigt sich "schockiert" vom gesellschaftlichen Ansehensverlust der katholischen Kirche. "Dass es so dramatisch wird, hätte ich nicht erwartet", sagte er dem Podcast "Himmelklar" (Mittwoch) in Bonn. Die Diskussionen nach der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum München und Freising seien offenbar ein Kanal, "in den die ganzen Vorbehalte gegenüber Kirche, gegenüber kirchlichen Autoritäten sowie überhaupt gegenüber Religionen hineinfließen".

Gutachten bestätigt "vollkommen berechtigte Kritik"

Am 20. Januar hatten Rechtsexperten ein Aufarbeitungsgutachten für das Erzbistum München und Freising vorgestellt. Sie werfen mehreren katholischen Amtsträgern vor, Fälle sexuellen Missbrauchs durch Geistliche fehlerhaft gehandhabt zu haben. Zu den beschuldigten Bistumsverantwortlichen zählt auch der emeritierte Papst Benedikt XVI., der früher Münchner Erzbischof war.

In der öffentlichen Wahrnehmung gebe es "eine Art Raster", in das die Münchner Untersuchung gut hineinpasse, so Pollack. "Man sieht sich bestätigt und kann durch Verweis auf das Gutachten die Empörung und auch die vollkommen berechtigte Kritik noch einmal formulieren."

Zudem reiche die Kritik das erste Mal bis an die Spitze der katholischen Kirche heran - namentlich an den früheren Papst. "Das ist dann doch noch einmal eine neue Qualität, weil bisher gesagt wurde, dass Priester und Bischöfe versagt haben, nun aber kann man sagen: Die Kirche als Ganze ist betroffen", erklärte der Religionssoziologe.