RELIGION

Fasten, Knien, Singen: Wie der Glaube den Körper fit hält

Anzeige

Leibfeindlich sei das Christentum, heißt es immer wieder. Benediktiner Mauritius Wilde aus Rom widerspricht - und wirbt für das Gegenteil.

Wir investieren heute viel Zeit in Sport und Fitness, auch Yoga und andere Körperübungen sind beliebt. Das können wir uns im Gegensatz zu früheren Generationen leisten, weil viele von uns nicht mehr körperlich arbeiten müssen. Im Gegenteil, in gewisser Weise müssen wir es uns leisten, weil wir sehr viel Kopfarbeit ausgesetzt sind. Der Körper hungert geradezu danach bewegt zu werden, beweglich zu bleiben. Und das tut auch dem Kopf gut: mens sana in corpore sano.

Die Stunden, die wir damit verbringen, uns mit unserem Körper zu beschäftigen, sind erheblich. Ich frage mich, was die Kirche und unsere Religion in dieser Sache beitragen können. Wir sind eine Inkarnationsreligion, das heißt, der Leib spielt eine zentrale Rolle: Gott ist Mensch geworden, das Wort ist Fleisch geworden.

Vorgeschmack auf den Himmel

Gerade aus der katholischen Praxis fallen mir dazu viele Beispiele ein: Das Wallfahren und Pilgern tun gut. Wir schwitzen und verausgaben uns. Im Gehen kann man seinen Gedanken nachhängen und miteinander und auch mit Gott ins Gespräch kommen. Das „Ankommen“ am Ziel ist wie ein Vorgeschmack für unsere Ankunft im Himmel.

Wenn es mehr um die feine Wahrnehmung unseres Körpers geht, kann auch die Liturgie eine gute Rolle spielen. Sie spricht alle Sinne an. Wenn ich den Weihrauch rieche, bekomme ich eine Ahnung vom Wohlgeruch Gottes. Die Gebetsgebärden halten uns im Körper wach, vor allem durch ihren Wechsel: Stehen, Sitzen, Knien, Stehen. Wenn ich das Knien mit Ehrfurcht und Anbetung verbinde, ist es erhebend. Vor allem das Singen ist ohne die körperliche Dimension nicht möglich: Hier ist der Atem gefordert, die Stimme, aber auch das Hören und das Gefühl. Wenn ich Weihwasser nehme oder das Kreuzzeichen mache, berühre ich mich (oder lasse mich von Gott berühren).

Vom Körper zum Leib

Der Autor
Mauritius Wilde stammt aus Hildesheim. 1985 trat er in die Benediktinerabtei Münsterschwarzach bei Würzburg ein. 2011 wurde er Leiter des Benediktiner-Priorats Christ the King in Schuyler/Nebraska (USA). Seit 2016 ist er Prior der Primazialabtei Sant‘ Anselmo in Rom und Rektor des gleichnamigen internationalen Kollegs.

Schließlich ist da das Fasten. In letzter Zeit höre ich öfter, dass gerade junge Leute davon fasziniert sind, vielleicht inspiriert durch den Ramadan. Auf Nahrung zeitweise zu verzichten, bringt mich in Kontakt mit dem, der mich auf noch viel tiefere Weise nähren kann.

Der Vorteil all dieser Übungen besteht darin, dass sie eine körperliche mit einer geistigen, oder in unserem Fall geistlichen Bewegung verbinden. Sie bewahren uns davor, den Körper zum Kult werden zu lassen oder ihn zu verabsolutieren. So kann aus dem Körper unser Leib werden. Unsere Religion ist heutzutage oft sehr verkopft. Es lohnt sich, ihre leiblichen Elemente voll auszukosten, zu genießen, ja sie für uns zu nutzen. Und sicherlich gibt es da auch noch mehr zu entdecken oder zu entwickeln.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Anzeige