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Es gab Zeiten, da war das Beten für ihn nur ein albernes Runtergeleier. Wie sich seine Meinung geändert hat, erklärt Krankenhaus-Seelsorger und Diakon Tobias Tiedeken aus Warendorf.
Es gab Zeiten in meinem Leben, da war alles Beten in meinen Augen blanker Unsinn: die Tischgebete meiner Familie albernes Runtergeleier. Die persönlichen Gebete Anderer bloße Selbstreflexion. Die verfassten Gebete nur der Ausfluss vergangener Jahrhunderte mit unsinnigen Texten. Wo kein Gott ist, ist auch Gebet sinnlos.
Aber ich durfte die Erfahrung machen, dass dort (vielleicht) doch ein Gott ist. Und dass das, was sich in meinem Herzen und meinen Gedanken formuliert, ein Gegenüber hat und nicht in ein Nirvana schießt. Dass das nächtliche Rosenkranzgebet meiner kranken Großmütter kein Geplapper war, sondern Stütze für sie, Schweres zu überstehen. Dass das Anzünden von Kerzen in schwierigen Situationen, zum Beispiel Prüfungen, ein Segen ist. Denn da denkt jemand an mich und unterstützt meine Anliegen bei Gott.
Beten als Teil meines Lebens
Themenwoche „Die Kraft des Gebets“
Das Gebet gehört für viele Christen zum Alltag. Doch die Ausdrucksformen sind sehr unterschiedlich. Kirche+Leben stellt sieben Menschen vor, denen das Beten ein wichtiges Anliegen ist.
Nach vielen Jahren nun, in denen ich im Glauben unterwegs bin, ist das Beten für mich wie das Atmen ein Teil meines Lebens: Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne war. Sei es das Dankgebet, das freie Bittgebet, das Stundengebet, das Mecker- und Motzgebet – es ist alles dabei, und alles hat auch zu gegebener Zeit seinen Sinn. Es gibt beim Beten kein Mehr-oder-weniger-wichtig-und-richtig. Das Entscheidende ist einfach, es immer wieder zu tun. Einfach machen.
So eben auch in meiner Tätigkeit als Krankenhausseelsorger: Es ist nicht so, dass ich ständig mit den Patientinnen und Patienten bete. Das kommt vor, ist aber manchmal unpassend. Aber es ist die Regel, dass ich für die Menschen bete, denen ich begegnete. Und wenn es auch nur ein kleines Stoßgebet ist. Manch einer würde sich schon wundern.
Etwas Wunderbares
Das am meisten berührende Gebet für mich ist, wenn alte Menschen, die sich aufgrund ihrer Krankheit kaum noch äußern können, plötzlich mitbeten. Wenn zum Beispiel das „Vaterunser“ oder das „Gegrüßet seist Du, Maria“ ganz tief aus ihrer Seele aufsteigen und den Weg in ihren Mund finden. Besondere Momente, in denen kranke Augen wieder anfangen zu leuchten.
Beten ist etwas Wunderbares. Beten zu können, ist ein Geschenk für das ganze Leben.