Einrichtung für Behinderte klagt beim Verwaltungsgericht Münster

Gegen Krematorium: Caritas-Werkstätten Ochtrup wehren sich

Darf in Ochtrup ein Krematorium in unmittelbarer Nähe einer Werkstatt für behinderte Menschen gebaut und betrieben werden? Dieser Frage geht das Verwaltungsgericht in Münster nach.

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Die Tectum Caritas gGmbH in Steinfurt hat beim Verwaltungsgericht Münster Klage gegen den Bauvorbescheid des Kreis Steinfurt zum geplanten Krematorium in Ochtrup eingereicht. An der Waldstraße will es eine Ochtruper Investorengruppe errichten.

Auch gegen den laufenden Bauantrag der Investoren wehrt sich der Träger der CaritasWerkstätten Langenhorst: „Die Stadt Ochtrup hat einen Antrag erhalten, sich im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu positionieren und eine negative Stellungnahme zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens abzugeben“, sagt Gregor Wortmann, Geschäftsführer der Tectum Caritas.

 

Werkstätten sammeln Unterschriften

 

Mit diesem rechtlichen Vorgehen möchte die Tectum Caritas als Träger der Langenhorster Caritas-Werkstätten den Bau des Krematoriums in direkter Nachbarschaft zu den Werkstätten verhindern. „Wir sammeln Unterschriften gegen ein Krematorium an diesem Ort“, sagt Werkstattleiter Alexander Lürwer. „.Für die Beschäftigen der Werkstätten ist es unbegreiflich, eine Leichenverbrennungsanlage neben ihrem Arbeitsplatz zu haben.“

Von der geplanten Anlage im Gewerbegebiet betroffen wären mehr als 500 Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen, die in der Nähe ihren Arbeitsplatz haben. „Ein Krematorium in der Nachbarschaft würde zu Überforderungen für einen Großteil der betreuten Menschen führen“, sagt Lürwer.

 

Seelische Erkrankungen der Mitarbeiter

 

Tod und Sterben würden durch das Krematorium zu dominanten Themen. Der Arbeits- und Lebensort Werkstatt würde in erheblicher Weise durch das Krematorium beeinträchtigt. „Die Werkstatt als zweiter Lebensraum der Beschäftigen wäre nachhaltig gestört.“

Auch die Vorsitzendes des Werkstattrates, Helma Soba, findet deutliche Worte: „Natürlich wissen wir, dass zum Leben auch der Tod gehört. Viele von uns beschäftigen sich besonders wegen ihrer persönlichen seelischen und körperlichen Gesundheit mit Fragen von Leben und Tod. Und dann wollen die Investoren uns noch eine Fabrikanlage vor die Nase setzen, in der jeden Tag Leichen verbrannt werden. Das ist zuviel für uns.“

 

Auflagen in Industriegebieten

 

Wie Wortmann erläutert, stützt sich die Klage auf mehrere Entscheidungen deutscher Verwaltungsgerichte. Zuletzt habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf im November 2017 entschieden, dass ein Krematorium auch ohne Abschiedsraum wegen fehlender Gebietsverträglichkeit nicht allgemein als „Gewerbebetrieb aller Art“ im Industriegebiet zulässig sei.

Zum laufenden Bauantrag sei davon auszugehen, dass der Kreis Steinfurt als untere Bauaufsicht die Stadt Ochtrup am Verfahren beteilige und Gelegenheit zur Stellungnahme geben werde. „Die Caritas hat beantragt, dass sich die lokale Politik durch eine negative Stellungnahme gegen die Realisierung des Vorhabens ausspricht.“

 

Gespräche mit Kommunalpolitikern

 

In den letzten Tagen haben die Caritas-Vertreter mit den Fraktionen der Stadt zahlreiche Gespräche geführt, um auf die besondere Situation des Standorts aufmerksam zu machen. Die Kommunalpolitiker hatten zuvor mehrheitlich dem Bauvorhaben zugestimmt.

Auch der Landrat des Kreises Steinfurt, Klaus Effing (CDU), sieht keine Bedenken, was die Genehmigung als solche angeht: „Krematorien, soweit es ausschließlich um den rein technischen Vorgang der Verbrennung geht, sind grundsätzlich in Gewerbegebieten zulässig“, teilte er mit und fügte an: „Eine Alternative zu dem vorgesehenen Standort kann nur zusammen mit der Stadt Ochtrup entwickelt und gesucht werden.“

 

Bemühungen um Einigung

 

Ob in weiteren Gesprächen außergerichtliche Lösungen gefunden werden, ist allerdings noch nicht abzusehen. Der CDU-Kreistagsabgeordnete Benno Hörst aus Ochtrup, seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik engagiert, kann sich beispielsweise einen Flächentausch vorstellen. Er ist selbst mit den Investoren – darunter zwei in der CDU engagierte Kommunalpolitiker – im Gespräch. Die beiden haben schon vor einiger Zeit das Grundstück im Gewerbegebiet erworben. „Ich bemühe mich um Alternativen“, sagte Hörst. Er selbst hält den Bau eines Krematoriums an besagter Stelle für „höchst unglücklich“. Es sei eine ethisch-moralische Frage, ob der Standort gut gewählt sei.

Die Caritas-Vertreter suchen derweil Unterstützer für ihren Protest und haben unter www.kein-krematorium-waldstrasse.de eine Homepage eingerichtet.

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