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Genug Kinder für den konfessionell-getrennten Religionsunterricht gibt es an vielen Schulen in Niedersachsen oft nicht. Evangelische und katholische Kirche planen deshalb einen gemeinsamen christlichen Religionsunterricht. Die kirchlichen Schulen wollen am getrennten Unterricht festhalten.
Genug Schüler für den katholischen Religionsunterricht? Zwölf müssten es sein in einer Klasse. In der Diaspora im Norden des Oldenburger Landes ist das ein Problem. Sechs oder acht Prozent Katholiken leben in der Wesermarsch oder in Friesland. Dort gibt es deshalb nur wenige katholische Schüler, in manchen Grundschulen vielleicht nur zwei. Die evangelischen Christen kennen es weniger extrem, aber doch ähnlich, für ihre Kinder im katholischen Südoldenburg. Ein möglicher Ausweg: wechselseitig am Unterricht der anderen Konfession teilnehmen.
Ähnlich sind die Verhältnisse in anderen Regionen Niedersachsens auch. Die beiden großen Kirchen im Land haben schon vor mehr als 20 Jahren darauf reagiert und 1998 einen konfessions-verbindenden Unterricht eingeführt, den katholische und evangelische Kinder dann bei Bedarf gemeinsam besuchen. Damals war das bundesweit eine Premiere und „stieß zeitweise auch auf heftige Kritik“, wie Professor Franz Bölsker berichtet.
Religionsunterricht wie bisher nicht mehr möglich
Bölsker leitet die Schulabteilung im Bischöflichen Offizialat in Vechta, der Verwaltungsbehörde für die Katholiken im niedersächsischen Teil des Bistums Münster. Er sagt heute: „Eigentlich sollte das nur eine Ausnahme und Notlösung sein. Inzwischen besuchen oft deutlich mehr Kinder diesen Unterricht als den traditionellen Religionsunterricht.“
Für ihn sind die Gründe klar: „Die Region erlebt einen rasanten Wandel in der Bevölkerung.“ Zugleich müsse sich die Kirche der Tatsache einer ebenso deutlichen religiösen Entwicklung stellen. „Die traditionelle Verbindung zwischen katholischer Familie, katholischer Schule in einem katholischen Ort gibt es nicht mehr.“ Sein Fazit: „Wir können den konfessionellen Religionsunterricht wie bisher nicht mehr erteilen.“
Gemeinsamer Lehrplan soll kommen
Franz Bölsker leitet die Schulabteilung im Bischöflichen Offizialat in Vechta und hat am Plan für den Christlichen Religionsunterricht mitgearbeitet. | Foto: Franz Josef Scheeben
Ein Befund, den andere Fachleute der beiden großen Kirchen in Niedersachsen teilen. Den konfessionell-verbindenden Religionsunterricht habe man bisher meist nur organisatorisch verstanden, sagt Bölsker. Deshalb habe man jetzt einen großen Wurf gewagt und in Abstimmung mit den Spitzen der Kirchen das Konzept eines „gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterrichts“ vorgelegt. Der soll an die Stelle der früheren Notlösung treten und einen gemeinsamen, verbindlichen Lehrplan erhalten.
„Kein Schmelztiegel, in dem alles verrührt wird“, betont Bölsker. „Sondern der auch die konfessionellen Unterschiede zum Thema macht.“ Also „keine Kirchen-Union über die Schule“. Aber eine Lösung, die den Alltag für die Schulen vor Ort mit wenigen Kindern und Lehrern einer Konfession leichter macht.
Konzept für alle öffentlichen Schulen
Wieder eine bundesweit einmalige Idee. Die nun an den Schulen und in der Politik Niedersachsens diskutiert werden soll. Franz Bölsker hat über Jahre an dem Konzept mitgearbeitet. Mit drei Fachleuten aus den Bistümern Osnabrück und Hildesheim und sieben aus den evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen.
Das Konzept ist für alle öffentlichen Schulen im Land gedacht. Nicht betroffen sind die bischöflichen Schulen, in denen die Kirche das Schulleben eigenständig gestaltet. Davon trägt die oldenburgische Kirche über eine Stiftung vier Gymnasien, vier Oberschulen und eine Berufsschule mit insgesamt mehr als 5.400 Schülern in Vechta, Cloppenburg, Oldenburg und Wilhelmshaven.
Kirchliche Schulen bleiben bei getrenntem Unterricht
Pater Andreas Bordowski, Vorstand der Schulstiftung, hat auf Nachfrage betont, an diesen Schulen gebe es ausreichend Schüler für den jeweiligen konfessionellen Religionsunterricht. Dort könne der also grundsätzlich weiter getrennt erteilt werden.
Das gilt auch für das Dominikaner-Gymnasium Kolleg St. Thomas in Vechta. Diese völlig selbständige Ordensschule will weiter beim getrennten Religionsunterricht bleiben. Denn auch dort gebe es keinen Mangel an Schülern für den konfessionellen Religionsunterricht, sagt Schulleiter Mark Brockmeyer. Zudem gebe es dort mit allein fünf Ordensleuten im Schuldienst auch ausreichend Lehrer für katholische Religion.