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Europa steckt hunderte Milliarden Euro in Verteidigung. Was, wenn ich als Geldanleger nachziehe? Der Direktor des Weltethos-Instituts ordnet ein.
Ein mulmiges Gefühl beim privaten Investment in Rüstungsaktien? Nach Einschätzung eines Wirtschaftsethikers ist das verständlich, kann aber dennoch eine moralisch richtige Entscheidung für Anleger sein. „Es kommt darauf an, aus welchen Gründen man sich für so etwas entscheidet“, sagt Nils Goldschmidt, Direktor des Weltethos-Instituts in Tübingen und Mitglied des Deutschen Ethikrats, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Dann ist es bis zu einem gewissen Grad legitim.“
Gefühlsmäßig sei „es für viele dennoch das Unethischste, was man eigentlich machen kann, aus der Tradition heraus und mit Blick auf die vergangenen Jahre“, so der Wirtschaftsprofessor. Deshalb solle sich der private Anleger selbst prüfen und reflektieren, warum er in Rüstungsindustrie investieren wolle.
Welche Investition legitim sein kann
„Liegt es daran, dass ich möglichst hohe Gewinne erzielen will?“, so Goldschmidt mit Blick auf den derzeitigen Boom von Rüstungsaktien. „Oder geht es mir darum, die Rüstungsindustrie zu stützen, um den Frieden zu sichern?“ Letzteres sei dann eine private Investition, die aus den gleichen Gründen getätigt werde wie die von der Bundesregierung beschlossene militärische Aufrüstung zur Abschreckung von Aggressoren - und damit legitim.
„Ich kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass ich diese Politik der Bundesregierung zwar mit meinen Steuergeldern unterstütze, aber trotzdem persönlich mein Geld in neutralere Bereiche investieren will“, so der Ethiker. Das sei etwa mit der Verweigerung des Wehrdienstes vergleichbar. Auch ein Zivildienstleistender könne durchaus die Notwendigkeit der Landesverteidigung sehen. „Aber er möchte nicht Teil dessen sein.“
Auf „dünnes Eis“ begibt sich Goldschmidt zufolge, wer glaubt, der Zweck heile die Mittel: „Ein unethischer Gewinn wird nicht dadurch geheilt oder legitimiert, dass ich ihn gut verwende und etwa in Spenden für soziale Einrichtungen oder Entwicklungshilfe investiere.“
Rüstungsinvestments - nachhaltig?
Bemühungen der Rüstungsindustrie, in die Gruppe nachhaltiger Investments aufgenommen zu werden, lehnt der Theologe und Volkswirt, der Professor für Kontextuale Ökonomik an der Universität Siegen ist, ab: „Es gibt momentan gute Gründe, in Rüstungsindustrie zu investieren. Aber wenn wir das dann auch als nachhaltig oder ethisch wünschenswert bezeichnen würden, weichen wir diese Begrifflichkeiten auf.“
Nachhaltiges Investment bedeute, sich die Interessen des anderen zu eigen zu machen: „Also wirklich in Dinge investieren, die darauf abzielen, die Gesellschaft beispielsweise im Sinne einer ökologischen Transformation zu verändern oder die etwa auf Generationengerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt ausgerichtet sind“, so Goldschmidt.