GEMEINDEN UNTERWEGS (3)

Was der Prunk von Dubai mit der Indien-Hilfe in Lutten zu tun hat

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Erst erlebten sie Armut in Indien. Dann das reiche Dubai. Und da war für die Leute in Lutten klar: „Wir müssen was tun!“ Mit unglaublichem Erfolg.

Die erste Indienfahrt hat sie ziemlich mitgenommen. 2011 war das. Andrea Kathmann erinnert sich noch gut. Als der indische Gastpriester John Orakundil eine Reisegruppe mit in seine Heimat nahm. Er war damals seit vier Jahren Seelsorger in Lutten (Kreis Vechta) – und führte die Besucherinnen und Besucher in eine für die meisten unbekannte Welt.

„Dr. John“, wie alle im Ort den indischen Priester bis heute nennen, zeigte den Besuchern sein Dorf und seine alte Schule. „Stundenlang ging es auf unbefestigten Wegen durch den Urwald dorthin“, sagt Andrea Kathmann. Sie ist immer noch beeindruckt. „Wir konnten erleben, in welch ärmlichen Verhältnissen die Menschen dort leben, auch Dr. Johns Familie. Auch ihre große Herzlichkeit.“

Krasse Gegensatz 

Serie „Gemeinden unterwegs“
Viele Gemeinden und Verbände unterhalten zumeist seit Jahrzehnten gewachsene Partnerschaften zu Pfarreien oder Initiativen im Ausland. Kirche+Leben stellt vier Beispiele vor und spricht mit dem Münsteraner Weltkirche-Weihbischof Stefan Zekorn. 

Auf dem Rückweg dann der totale Kontrast bei einem Zwischenstopp in Dubai: Die Gruppe hatte dort ein paar Tage Aufenthalt. Statt Armut und Hütten bestimmten plötzlich Prunk und Protz in der Wüste das Bild. Andrea Kathmann schüttelt den Kopf. „Der krasse Gegensatz zu dem, was wir in Indien erlebt hatten.“ Vielleicht, sagt die 52-Jährige und wiegt den Kopf hin und her, habe das den allerletzten Ausschlag dafür gegeben, dass einige in der Gruppe dachten: „Wir müssen was tun!“

13 Jahre ist das jetzt her. Und aus der Idee von damals ist eine Hilfsaktion entstanden, die in dem Ortsteil der 10.000-Seelen-Gemeinde Goldenstedt ihren festen Platz und einen guten Namen hat: „Indienhilfe Dr. John“. Mit einer ganzen Reihe von Projekten, die seither unterstützt werden konnten.

130 Patenschaften

 

Darunter unter anderem Wohnheime für Jungen oder Mädchen, ein Altersheim, Aktionen für Straßenkinder oder ein Kinderdorf. Dazu Geld, um Flutschäden zu beseitigen oder Nahrungsmittelpakete während der Corona-Epidemie auf den Weg zu bringen. Und 130 Patenschaften, vorwiegend für Schülerinnen. Alles finanziert mit Spenden, zumeist aus dem 3.500-Seelen-Dorf Lutten, das zur Gemeinde Goldenstedt gehört. Wo um Gründer August Pöhlking 2011 der Kern der Indienhilfe entstand, die die aktuelle Vorsitzende Andrea Kathmann weiterführt.

Auch die Reisen seien wichtig geblieben, sagt die Religionslehrerin. „Um den Kontakt zu den Projekten zu fördern und noch mehr Menschen dafür zu interessieren.“ Die nächste Fahrt ist bereits in Planung.

Die Indienhilfe Dr. John ist eine Begriff im Ort

Die Indienhilfe ist im Laufe der Jahre eine feste Größe im Ort geworden. Vielleicht wegen der Persönlichkeiten der indischen Priester, die in Lutten im Einsatz waren, ihrer herzlichen Art. Von Namensgeber John Orankundil über Pater Jestin James bis aktuell Pastor Boby Peter Pallickamalil.

Aber auch wegen des engen Zusammenhalts, den Andrea Kathmann ihrem Dorf bescheinigt. Viele identifizierten sich mit dem Indienprojekt. Regelmäßig geht die Kollekte bei Beerdigungen oder Trauungen an die „Indienhilfe Dr. John“.

221.000 Euro in den ersten zehn Jahren

Beim letzten indischen Kochabend mussten die Helferinnen und Helfer eine Warteliste führen. Und beim Benefizkonzert im vergangenen Advent in der Pfarrkirche in Goldenstedt saßen 600 Zuhörer in der Kirche – und nochmal 150 hinterher beim Kaffeetrinken. Spenden in Höhe von insgesamt 221.000 Euro sind allein in den ersten zehn Jahren zusammengekommen.

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