Bischof bittet bei öffentlichem Gesprächsabend um Entschuldigung

Genn benennt in Wadersloh eigene Fehler im Missbrauchs-Fall

Bischof Felix Genn hat bei einem Gesprächsabend in der St.-Margareta-Kirche in Wadersloh eigene Fehleinschätzungen im Fall eines des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Priesters benannt.

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Bischof Felix Genn hat bei einem Gesprächsabend in der St.-Margareta-Kirche in Wadersloh eigene Fehleinschätzungen im Fall eines des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Priesters benannt. „Ich habe blauäugig auf die Aussagen des Geistlichen vertraut“, sagte er vor etwa 200 Teilnehmern in den Kirchenbänken. „Das war mein Fehler, den ich heute sehr bereue und für den ich um Entschuldigung bitte.“

Konkret ging es um einen Priester, dem vorgeworfen wird, in den 1980er Jahren in Kevelaer ein Kind missbraucht zu haben. Dies war dem Bistum im Jahr 2010 bekannt geworden. Das Opfer hatte aber gebeten, dass die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet und die Tat nicht öffentlich gemacht werde. Dem Priester waren daraufhin nach seiner Emeritierung im Jahr 2010 seelsorgliche und priesterliche Tätigkeiten nur unter strengen Auflagen erlaubt worden. Die Verantwortlichen in der Pfarrgemeinde in Wadersloh, in der er noch tätig war, hatten nur wenige Informationen über diesen Vorgang.

 

„Ich bin getäuscht worden“

 

Er habe zu keinem Zeitpunkt etwas vertuschen wollen, sagte Genn bei dem Gesprächsabend. Aber er habe den Fehler gemacht, die ausgesprochenen Auflagen nicht ausreichend zu prüfen. „Ich bin von dem Priester getäuscht und enttäuscht worden.“ Das Strafmaß, das damals von der Glaubenskongregation in Rom vorgegeben wurde, sei nach heutiger Sich zu wenig. „Wir haben ihm heute ein Dekret zugesandt, dass ihm alle priesterlichen Tätigkeiten in der Öffentlichkeit verbietet.“

Genn spricht in der St.-Margareta-Kirche in Wadersloh.
Bischof Felix Genn nahm zum ersten Mal an einem öffentlichen Gespräch über einen Missbrauchs-Fall teil. | Foto: Michael Bönte

Aus den Wortbeiträgen der Gesprächsteilnehmer aus der Pfarrei  waren die Wut und die Enttäuschung über das Verhalten der Bistumsleitung herauszuhören. Zum Teil unter Applaus wurden Vorwürfe scharf formuliert: „Wie konnten Sie in Kauf nehmen, dass der Priester wieder zu einem Täter hätte werden können?“, „Warum haben Sie das Seelsorgeteam und die Gremien in der Pfarrei nicht ausreichend informiert?“ oder „Wieso haben Sie nicht weiter nachgehakt, als sie vom Verhalten des Täters in unserer Pfarrgemeinde hörten?“.

 

Sensibler Umgang mit Betroffenen

 

Der Bischof, der gemeinsam mit Generalvikar Klaus Winterkamp, Pfarrer Martin Klüsener aus Wadersloh und der dortigen Pfarreirats-Vorsitzenden Tanja Schalkamp auf dem Podium saß, erklärte in seinen Antworten auch die Probleme im Umgang mit dem nicht verurteilten Täter. Auch wenn dieser seine Tat inzwischen eingestanden habe. Es gebe kein Disziplinar-Recht für Kleriker, das in diesen Fällen weitreichend handlungsfähig mache. Auch der wichtige sensible Umgang mit den von sexuellen Missbrauch Betroffenen bringe ein Dilemma, sagte Genn: „Jede Mitteilung bringt Öffentlichkeit, die für sie retraumatisierend sein kann.“

Der Bischof nahm zum ersten Mal an einem öffentlichen Austausch über einen Missbrauchsfall in einer Pfarrei seines Bistums teil. In der Vergangenheit hatten Betroffene dies immer wieder gefordert und Genn vorgeworfen, er würde sich seiner Verantwortung entziehen.

 

Tat spaltet die Gemeinde

 

„Ich habe hier noch einmal wahrgenommen, wie sehr eine solche Tat betroffen macht“, sagte der Bischof. „So etwas spaltet eine Gemeinde.“ Der Vertrauensverlust gegenüber Kirche und Kirchenleitung wurde während des Gesprächsabends mehrfach geäußert. Genn versicherte noch einmal, dass er eine solche Tat niemals vertuschen werde: „Ich werde nie einen Betroffenen abweisen – bei all dem Leid, dass ich von Opfern erfahren habe, könnte ich das nicht verantworten.“

Bereits in der vergangenen Woche hatte sich der Bischof mit Mitgliedern des Pfarreirats, des Kirchenvorstands und des Seelsorgeteams der Pfarrei in Wadersloh getroffen, um über den Fall zu sprechen. Schon bei diesem Austausch war deutlich geworden, wie enttäuscht die Gremien und Seelsorger vor Ort von dem Verhalten der Bistumsleitung sind: Die fehlenden Informationen hätten in der Pfarrei zur falschen Einschätzung der Situation geführt, ein großer Vertrauensverlust unter den Gläubigen sei die Folge.

Um diesen Fall geht es in Wadersloh-Bad Waldliesborn
In dem Fall, um den es geht, hatte sich eine Frau 2010 ans Bistum Münster gewandt und angegeben, Mitte der 1980er Jahre als Kind von einem Priester missbraucht worden zu sein. Sie verlangte, dass der Sachverhalt nicht öffentlich gemacht wird und auch, dass die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet werden darf. Dem Beschuldigten, der 2010 als Pfarrer in St. Josef in Bald Waldliesborn emeritiert wurde, wurden nach der Einschaltung der Glaubenskongregation seelsorgliche und priesterliche Tätigkeiten nur in einem vom Bistum zugewiesenen Bereich gestattet. Der Geistliche feierte aber trotz Verbots weiterhin öffentlich Gottesdienste. Bischof Genn hatte ihn nach einem Hinweis der Betroffenen 2016/17 schriftlich darauf hingewiesen, dass eine Zelebration nur eine Ausnahme sein dürfe und ihm nur erlaubt sei, wenn nicht mit einer großen Öffentlichkeit zu rechnen sei. Vor einigen Wochen hatte das Bistum den Sachverhalt in Absprache mit der Betroffenen öffentlich gemacht. Danach gab es deutliche Kritik aus der Pfarrei am Vorgehen des Bischofs und des Bistums in diesem Fall. | Stephan Kronenburg (pbm)
 

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