Bischof fordert Kriterien und Prüfverfahren für geistliche Begleitung

Genn verurteilt geistlichen Missbrauch als „satanisch“

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Bischof Felix Genn hat geistlichen Missbrauch in der katholischen Kirche scharf verurteilt. Wenn geistliche Begleiter ihre Macht missbrauchen, bedeute dies „eine Verkrümmung der Sinnrichtung des Menschen weg von Gott auf den Täter und dessen Ziele hin“. Notwendig seien Kriterien und Prüfverfahren für die geistliche Begleitung, Kriterien zur Feststellung von geistlichem Missbrauch und Beschwerdewege für Betroffene.

Bischof Felix Genn hat geistlichen Missbrauch in der katholischen Kirche scharf verurteilt. Zugleich forderte er Kriterien und Prüfverfahren für die geistliche Begleitung von Menschen. Genn äußerte sich als Vorsitzender der Kommission für geistliche Berufe und kirchliche Dienste der Deutschen Bischofskonferenz bei einer digitalen Tagung der katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Geistlicher Missbrauch instrumentalisiere den Menschen und bedeute „eine Verkrümmung der Sinnrichtung des Menschen weg von Gott auf den Täter und dessen Ziele hin“.

Wo in kirchlichen Strukturen und Kontexten geistlicher Begleitung und Leitung keine klaren Verantwortlichkeiten benannt seien, werde „mindestens die Versuchung zum Missbrauch geöffnet“, mahnte der Bischof. Genn wies darauf hin, dass geistliche Begleiter über Macht verfügten, die zwar von sich aus weder gut noch böse sei. Sie könne allerdings Auswirkungen auf die gesamte Existenz eines begleiteten Menschen haben: „In der Größe der wunderbaren Möglichkeit der Begleitung kündigt sich auch die abgrundtiefe Korrumpierbarkeit und Zerstörung an. Das ist das Satanische darin.“ Geistlicher Missbrauch gehe zudem nicht selten sexuellem Missbrauch voraus.

 

Anzeichen für geistlichen Missbrauch

 

Konkret nannte Genn die Gefahr, dass ein geistlicher Begleiter sich „die alleinige Kompetenz über Inhalte des Glaubens anmaßt und über die von ihm allein interpretierte Lehre Macht über die anderen ausübt“. Dann nehme er oder sie die Gottesbeziehung der begleiteten Person in seine eigene Verfügung „und erhebt sich selbst in eine göttliche Position“. Das gelte auch für die Leitung ganzer geistlicher Gruppierungen.

Anzeichen für geistlichen Missbrauch seien zudem ein „Insiderjargon“, der andere und kritisches Denken ausschließe, manipulierende Emotionen und Forderungen nach extremer Leistung und Verzicht. Genn fragte daher auch selbstkritisch: „Welcher Raum wird dem Scheitern und dem Zweifel Einzelner bei unseren zahlreichen kirchlichen Angeboten eingeräumt?“ 

 

Was gute geistliche Begleitung ausmacht

 

Wenn bei Menschen, die geistliche Begleitung in Anspruch nehmen, aufgrund eigener Unsicherheit ein Verlangen nach großer Klarheit im Glaubensleben bestehe, merkten sie oft nicht, wie sie von „selbst erhobenen menschlichen Heilbringern“ ausgenutzt würden: „Der Täter verbiegt das Gewissen der Opfer“, sagte Genn. Eine „gesunde geistliche Begleitung und Leitung“ erkenne man hingegen daran, dass sie Menschen „den freiheitlichen Weg“ in die Begegnung mit Gott eröffne.

Notwendig seien „große Aufmerksamkeit und Unterscheidungsgabe, um missbräuchliche Tendenzen im Keim zu erkennen und dagegen vorzugehen“, betonte der Bischof. Die Kirche in Deutschland müsse geistlichem Missbrauch unter Beteiligung aller Betroffenen vorbeugen – durch Kurse für gute geistliche Begleitung, durch die Überprüfung von Statuten, durch eine vertiefte Kenntnis des Phänomens und die Erarbeitung von Kriterien zur Feststellung von geistlichem Missbrauch. Zudem regte Genn Beschwerdewege für Betroffene geistlichen Missbrauchs in den Organisationen und Einrichtungen an.

Gleichwohl sei die notwendige Transparenz und Offenheit nicht leicht umzusetzen, weil geistliche Begleitung durch eine Schweigepflicht besonders geschützt sei.
 

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