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Papst Franziskus hatte Georg Gänswein Mitte 2023 aus dem Vatikan in sein Heimatbistum Freiburg beordert - und kaum Zweifel gelassen, dass das eine Art Strafe war. Nun bekommt der frühere Sekretär Benedikts XVI. eine neue, durchaus herausfordernde Aufgabe.
Nach Monaten des Wartens und manchen Spekulationen ist es nun offiziell: Erzbischof Georg Gänswein (67), langjähriger Privatsekretär von Kardinal Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., wird Papst-Botschafter, also Apostolischer Nuntius für Litauen, Lettland und Estland. Damit endet eine ungewöhnliche Auszeit. Ein Jahr lang war der Kirchenmann zum Nichtstun abgestellt.
Gänsweins von Franziskus verfügte Zeit in seinem Heimatbistum Freiburg war zwar nie offiziell als Strafe deklariert. Doch faktisch ließ der Papst keinen Zweifel, dass sie so gemeint war. Im Kern ging es um eine Buchveröffentlichung, die Franziskus missfiel.
Gänswein von Franziskus zweimal degradiert
Schon 2020 hatte der Papst den Deutschen degradiert. Damals entzog er ihm die protokollarischen Aufgaben als "Präfekt des Päpstlichen Hauses", der im Vatikan unter anderem die Staatsgäste empfängt. Er wies ihn an, sich ganz auf die Betreuung des altersschwachen Ex-Papstes Benedikt XVI. zu konzentrieren.
Anlass war ein Buch über den Zölibat, das als Einmischung des ehemaligen Papstes in Lehrentscheidungen seines Nachfolgers gedeutet werden konnte. Dass Gänswein die Turbulenzen um das Buch nicht verhinderte, führte zur ersten Herabstufung.
Gänswein schrieb zwei umstrittene Bücher
Die zweite folgte wenige Monate nach dem Tod Benedikts XVI. Im Juni 2023 warf Franziskus Gänswein faktisch aus dem Vatikan und wies ihn an, in sein Heimatbistum Freiburg zurückzukehren. Wieder war ein Buch der Auslöser: Nur wenige Tage nach dem Tod des früheren Papstes waren Memoiren erschienen, die Gänswein über seine gemeinsamen Jahre mit Ratzinger/Benedikt geschrieben hatte.
Der frühe Erscheinungszeitpunkt, aber auch einige inhaltliche Spitzen erregten den Zorn des Papstes. In einem Interview sprach er später von einem Mangel an Anstand und davon, man habe versucht, Benedikt XVI. zu manipulieren und gegen ihn in Stellung zu bringen. Franziskus, der die Kirche immer wieder mit neuen Ideen aufmischt, wird nicht müde zu betonen, zwischen ihm und seinem konservativen Vorgänger habe es viel menschliche Harmonie und keinen Dissens in theologischen Fragen gegeben.
Gänsweins neue herausfordernde Aufgabe
Die neue Aufgabe für den Geistlichen aus dem Südschwarzwald ist mehr als ein Trostpflaster. Die drei Republiken zwischen der Ostsee und Russland sind kirchlich wie politisch eine Herausforderung.
Die vor allem in Litauen und teils in Lettland starke katholische Kirche gilt - ähnlich wie die in Polen - als konservativ. Dass Franziskus den ebenfalls eher im konservativen Lager verorteten Gänswein dorthin schickt, ist ungewöhnlich: Lieber schickt er Männer seiner auf Öffnung bedachten Linie in die "konservativen Hochburgen", um für seinen Kurs zu werben.
Ökumenisch und politisch schwierig
Auch in der Ökumene ist das Baltikum kein einfaches Parkett: In Lettland und Estland muss sich die katholische Kirche einerseits mit starken protestantischen und andererseits mit - russisch geprägten - orthodoxen Kirchenführern und Gemeinden verständigen.
Geopolitisch ist das Baltikum, das bis 1990 zur Sowjetunion gehörte und mit seinen Häfen und Handelsströmen über die Ostsee immer wieder russische Begehrlichkeiten weckt, ohnehin ein heißes Pflaster. Gemessen am Bruttosozialprodukt unterstützt niemand in Osteuropa die Ukraine im Krieg gegen Russland so stark wie die Balten. Und nirgends sonst ist die Anti-Moskau-Rhetorik in der Politik so lautstark - trotz beachtlicher russischer Minderheiten. Auch hier könnte das diplomatische Geschick eines Nuntius gefordert sein, der im Auftrag eines für Frieden und Abrüstung werbenden Papstes agiert.
Endet Gänsweins Karriere im Baltikum?
Ob Vilnius in Litauen, Gänsweins neuer Dienstsitz, die Endstation für dessen Karriere ist, ist offen. Sein Vorgänger auf dem Posten ist inzwischen Botschafter des Papstes in Italien - und hat somit einen der wichtigsten Ränge der vatikanischen Diplomatie erklommen. Zwei weitere Vorgänger wurden nach ihrer Zeit in Vilnius in die Nuntiatur nach Wien befördert.