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Jesiden aus dem Distrikt Sindschar im Irak haben einem Gericht zufolge keinen grundsätzlichen Anspruch auf Schutz in Deutschland. Ihnen drohe derzeit keine Verfolgung als Gruppe durch den Islamischen Staat (IS) mehr, erklärte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster am Montag. Das Oberverwaltungsgericht habe grundsätzlich entschieden und somit anderslautende Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Jesiden aus dem Distrikt Sindschar im Irak haben einem Gericht zufolge keinen grundsätzlichen Anspruch auf Schutz in Deutschland. Ihnen drohe derzeit keine Verfolgung als Gruppe durch den Islamischen Staat (IS) mehr, erklärte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster am Montag.
Zwar sei der IS nach wie vor als Terrororganisation aktiv, allerdings nicht mehr in dem Ausmaß, dass allen Jesiden im Sindschar aktuell Verfolgung drohe. Die Sicherheitslage in dem Distrikt und die Verhältnisse im Irak hätten sich in den vergangenen Jahren geändert.
BAMF gegen Verwaltungsgericht Düsseldorf
Die Rechtssprechung der NRW-Verwaltungsgerichte sei in der Frage der Jesiden bislang uneinheitlich gewesen, hieß es. Das Oberverwaltungsgericht habe grundsätzlich entschieden und somit anderslautende Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aufgehoben. In den beiden Fällen ging es um eine 19-jährige Jesidin, die heute in Solingen lebt, und einen 23-jährigen Jesiden, der in Mülheim wohnt. Beide waren 2014 aus dem Sindschar geflohen, weil ihnen wegen ihrer Religion Verfolgung durch den IS drohte.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied, dass ihnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) deshalb einen Flüchtlingsstatus zuerkennen müsse. Dagegen hatte das BAMF Berufung eingelegt, die nun zugunsten des Bundesamts entschieden wurde.
Gericht: Jeder Einzelfall muss geprüft werden
Ob Jesiden aus dem Sindschar wegen sonstiger Gefahren einen Abschiebungsschutz beanspruchen können, lasse sich nicht generell beantworten, so das Oberverwaltungsgericht. Dafür müsse jeder Einzelfall beleuchtet werden. So habe die 19-Jährige bereits einen Abschiebungsschutz vom BAMF erhalten.
Dem 23-Jährigen versagte das Oberverwaltungsgericht am Montag diesen Schutz. In der Region Kurdistan im Norden des Irak sei die Situation nicht menschenrechtswidrig, hieß es zur Begründung. Dort könnte der Mann Schutz finden. Ob er tatsächlich abgeschoben wird, müsse die örtliche Ausländerbehörde entscheiden. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.
Stichwort: Jesiden
Jesiden sind eine religiöse Minderheit unter den Kurden. Weltweit hat die monotheistische Religionsgemeinschaft mehrere hunderttausend Mitglieder. In Deutschland leben derzeit bis zu 80.000 Anhänger. Der jesidische Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, vor allem aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum. Im Jesidentum gibt es keine verbindliche religiöse Schrift. Die Glaubenslehren werden mündlich überliefert. Nach jesidischer Vorstellung ist Gott „einzig, allmächtig und allwissend“. Jesiden haben ein weltliches und ein religiöses Oberhaupt („Baba Sheikh“). Jeside ist nur, wer von jesidischen Eltern abstammt. Heiratet ein Jeside einen Andersgläubigen, gilt das als Austritt aus der Religionsgemeinschaft. Jesiden wurden im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verfolgt, sowohl religiös als auch - wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Kurden - ethnisch. Fundamentalistische Muslime betrachten sie als „ungläubig“ und „vom wahren Glauben abgefallen“. Deshalb verbergen Jesiden in ihren Heimatgebieten häufig ihre Identität. Das Verhältnis zu Christen gilt nach eigenen Angaben als gut. (KNA)