Zwischen Glaube, Sehnsucht und quälenden Fragen

Gottesbilder: alter Mann, schwarze Frau, pure Energie?

Ist er der strenge Vater oder die liebevolle Mutter? Wenn er so allmächtig ist, warum greift er dann nicht ein, wo Menschen leiden? Unsere Vorstellungen von Gott kennen keine Grenzen, die Fragen nach ihm allerdings auch nicht. Und das ist gut so.

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Ist er der strenge Vater oder die liebevolle Mutter? Wenn er so allmächtig ist, warum greift er dann nicht ein, wo Menschen leiden? Unsere Vorstellungen von Gott kennen keine Grenzen, die Fragen nach ihm allerdings auch nicht. Und das ist gut so.

Der alte Pastor kommt nach einem treuen Leben im Dienst der Kirche an die Himmelstür. Doch als Petrus öffnet, kann der mit dem frommen Männlein nichts anfangen, zumal er auf keiner Liste der Neuankömmlinge verzeichnet ist. Der Pastor kann es kaum glauben, bittet und bettelt sogar in perfektem Latein, doch Petrus bleibt stur: „Du kommst hier nicht rein.“ – „Dann sag mir wenigstens“, fleht der Geistliche, „wie sieht Gott aus?“ Petrus zögert einen Moment, dann flüstert er: „She is black!“

Natürlich nur ein Witz. Aber einer, der es in sich hat: Gott ist weiblich und dunkelhäutig, im Himmel wird Englisch gesprochen, und nicht einmal ein treuer Priester kann sich sicher sein, hineinzukommen. Die Botschaft ist klar: Gott ist ganz anders, als wir ihn uns vorstellen.

„Gott ist auch nur ein Mensch“

„Gott ist auch nur ein Mensch“ war der Titel des Münsters-„Tatort“ (Erstausstrahlung 19.11.2017, Das Erste): Szenenbild mit Jan Josef Liefers als Professor Boerne (rechts) und Aleksandar Jovanovic als Aktionskünstler Zoltan Rajinovic, genannt „G.O.D.“ | Fo„Gott ist auch nur ein Mensch“ war der Titel des Münsters-„Tatort“ (Erstausstrahlung 19.11.2017, Das Erste): Szenenbild mit Jan Josef Liefers als Professor Boerne (rechts) und Aleksandar Jovanovic als Aktionskünstler Zoltan Rajinovic, genannt „G.O.D.“ | Foto: WDR/Wolfgang Ennenbach

Sogar der jüngste Münster-„Tatort“ (Erstausstrahlung 19. November 2017) handelte von Gott und den Bildern von ihm. Allerdings drehte sich dabei alles um einen Künstler, der sich – wenig bescheiden – Gott nannte, und um Bilder von ihm, genauer: um Kunstwerke, die er mitunter auch nur als seine ausgab. Ein selbstherrlicher Egomane, von der Kunstszene der Wirklichkeit entrückt, in seiner Einzigartigkeit vergöttert. Doch dann bröckelt das Bild, der große Meister wird als Blender entlarvt. Schließlich wird klar, was der Titel dieses Tatorts bedeutet: „Gott ist auch nur ein Mensch.“

Wer oder was ist also Gott? „Er ist kein Kontrolleur, der nach nicht abgestempelten Fahrkarten fahndet“, sagt Papst Franziskus. Also ist Gott einfach so, wie ihn mittlerweile die meisten aus ihrer Kinderzeit kennen: der „liebe Gott“? Der keinem etwas zu Leide tun kann und will?

Am Anfang: der Kinderglaube

Ganz genau! Gott ist der liebe Gott. Oder, wie die Bibel sagt: „Gott ist Liebe.“ Papst Benedikt XVI. hat eine ganze Enzyklika darüber geschrieben.  So groß sei die Liebe Gottes, heißt es darin, dass er sogar weiterliebt, als sein Volk Israel sich gegen ihn richtet. „Gott müsste eigentlich richten, verwerfen“, schreibt Benedikt. „Aber gerade nun zeigt sich, dass Gott Gott ist und nicht ein Mensch. ... Die leidenschaftliche Liebe zu seinem Volk – zum Menschen – ist zugleich vergebende Liebe. Sie ist so groß, dass sie Gott gegen sich selbst wendet, seine Liebe gegen seine Gerechtigkeit.“

Wie stellen Sie sich Gott vor? Wie hat sich Ihr Bild von Gott verändert? Schreiben Sie uns: redaktion@kirche-und-leben.de, Stichwort „Gottesbild“.

Dass der „liebe Gott“ so beliebt ist, hat allerdings wohl weniger mit hoher Theologie als mit schlichter Lebenserfahrung zu tun. Denn wie wir uns Gott vorstellen, hat seine Wurzeln vor allem in der Kindheit, der Zeit des Urvertrauens und bedingungsloser Geborgenheit – jedenfalls in den meisten Biografien: Es ist jemand da, der mich liebt und will und ohne den ich nicht leben kann. In der Kindheit gilt das wörtlich.

Liebe – Angst – Sehnsucht

Und doch kennen Menschen von früh an auch die Angst, diese Geborgenheit und die liebsten Menschen zu verlieren. Das steigert einerseits die Sehnsucht nach dieser Liebe, andererseits aber auch das Bemühen, sie durch Leistung und gute Taten stets zu verdienen.

Kein Wunder also, dass sich zum Bild vom lieben Gott das vom eifersüchtigen Gott gesellt, dessen Wünsche unbedingt befriedigt werden wollen: Wer seine Gebote hält und sich an bürgerliche Gepflogenheiten hält, dem kann nichts passieren. „Sonst hat der liebe Gott dich nicht mehr lieb!“, hieß es dann. Und so wurde aus der Frohbotschaft vom Gott der Liebe die Drohbotschaft vom Gott der Hiebe. Erst allmählich kommt Licht in diese dunklen Kapitel der jüngeren Gesellschafts-, Familien- und Kirchengeschichte.

Kamphaus „Gängige Gottesbilder sind Träumereien“

So weit, so gut. Aber wie passt es ins Bild vom lieben Gott, dass er Menschen unschuldig sterben lässt – als Opfer von Gewalt, Krankheit oder Umweltkatastrophen? Wo ist er da, der liebe Gott? In solchen Situationen kann selbst der trösten wollende Verweis auf die Auferstehung nicht helfen, er verbietet sich sogar. Ebenso die über Jahrhunderte verbreitete Deutung, mit Unheil strafe Gott die Menschen für ihre Sünden. Das war nicht nur billig, das war auch verantwortungslos und oft purer Machtmissbrauch. Was bis heute manche Kirchenmänner nicht davon abhält, Krankheiten wie Aids oder Ebola als Gottesstrafe zu geißeln, anstatt Kranken zu helfen und Gesunde zu schützen.

Franz Kamphaus, bis 2007 Bischof von LimburgDer erwachsene Glaube stelle sich dem Leid der Welt - „und sei es mit einem Aufschrei gegen den Himmel“, sagt Franz Kamphaus, bis 2007 Bischof von Limburg. | Archiv-Foto: Markus Nolte

Als 2004 der gewaltige Tsunami im Indischen Ozean über 230.000 Menschen tötete, reagierte der damalige Limburger Bischof Franz Kamphaus mit einer scheinbaren Zumutung: Die heute gängigen Gottesvorstellungen entsprächen nämlich den Träumereien von einer leidfreien Gesellschaft, die keine Wunden und keinen Schmerz vertrage. Der erwachsene Glaube  aber stelle sich dem Leid in der Welt – „und sei es mit einem Aufschrei gegen den Himmel“. Den Gott, der umstandslos zu den eigenen Wünschen und Träumen passe, gebe es nicht. Gott selbst sei ein „Betroffener der Katastrophe“.

Weißbärtiger Opa oder bunte Vielfalt?

Dafür steht das Gottesbild schlechthin: Jesus, der Mensch gewordene, leidende, sterbende Gott. Er sagt von sich: „Wer mich sieht, sieht den Vater.“ Insofern ist etwas Wahres dran am „Tatort“-Titel vom letzten Sonntag: „Gott ist auch nur ein Mensch.“ Wobei das so wenig nicht ist; schließlich gilt jeder Mensch als Gottes Schöpfung, sogar als sein Ebenbild. Am deutlichsten erkennbar in den Armen, Kranken, Entrechteten.

Das abstrakte Fenster von Gerhard Richter im Köln Dom (2007): Gott ist nicht zu erkennenDas abstrakte Fenster von Gerhard Richter im Köln Dom (2007): Gott ist nicht zu erkennen. | Foto: KNA

Ob barmherzig oder richtend, allmächtig oder mitleidend: Letztlich bleibt Gott unbegreiflich. Das sagen kluge Theologen, das zeigen auch viele Bilder in der Kunst. Da gibt es einerseits den herbeirauschenden Schöpfergott mit wallendem Haar und weißem Bart von Michelangelo, andererseits das berühmte Kirchenfenster von Gerhard Richter im Kölner Dom, in dem man vielleicht erkennen kann, dass Gott nicht zu erkennen ist.

Ob als schwarze Frau oder weißer Mann, als lieber oder strafender Gott, als Universal-Energie oder purer Wunschtraum – vermutlich ist was dran an der Erkenntnis, die dem Theologen Karl Rahner in den Mund gelegt wird: „Gott sei Dank gibt es nicht, was 60 bis 70 Prozent der Zeitgenossen sich unter Gott vorstellen.“

„Gott ist wie eine Haushälterin“
Die Bibel verbietet, sich ein Bild von Gott zu machen - und ist doch voll davon. In der neuen Ausgabe der Wochenzeitung „Kirche+Leben“ stellt Pater Daniel Hörnemann die Fülle der biblischen Gottesbilder vor. Und wir präsentieren die fünf populärsten selbstgebastelten Gottesbilder vom „Hosentaschen-Gott“ bis zum „Erbsenzähler-Gott“ - nicht ohne Selbstironie. Bestellen Sie „Kirche+Leben“ hier als E-Paper! Informieren Sie sich über unsere attraktiven Abo-Angebote wie einem dreiwöchigen kostenlosen Schnupperabo!

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