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Der Ort passt zum zentralen Bibelvers des Gottesdienstes in der Fastenzeit: „Aus der Tiefe rufe ich zu dir…“ Auf Parkdeck 1 der Tiefgarage des Klosters der Vorsehungsschwestern in Münster beten und singen die Menschen.
Es ist kalt, es ist funktional, es ist trist. Kurz: Es ist alles andere als einladend. Die Tiefgarage unter dem Provinzhaus der Vorsehungsschwestern in Münster muss das auch nicht sein. An diesem Ort sollen Autos geparkt werden können – sonst nichts. Nicht aber an diesem Sonntagnachmittag. Einige Parkflächen sind freigemacht und umgestaltet worden. Stühle, Scheinwerfer und ein Rednerpult haben dort Platz gefunden. Auch ein E-Piano steht bereit. Für eine Stunde ist aus dem Parkdeck ein Gottesdienstraum geworden.
Mit einem besonderen Hintergrund. „Aus der Tiefe rufe ich zu dir“, ist das Bibelzitat, um das es geht. Ein Gedanke, der in die Fastenzeit passt, sagt Schwester Paula Bomas. „Im Leben der Menschen gibt es immer auch Tiefpunkte, über die wir gerade in dieser Zeit nachdenken wollen – damit unser Leben Tiefgang bekommt.“ Die Provinzleiterin der Vorsehungsschwestern sieht in dem Parkdeck unter der Erde dafür einen bereichernden Ort. „Hier können wir uns doppelt in diese Tiefe begeben – in die örtliche und in die existentielle.“
Tiefpunkte in der Tiefgarage
Nicht nur viele Mitschwestern sind gekommen, auch Nachbarn und Mitglieder der Pfarrgemeinde St. Joseph Münster-Süd. Pastor Karsten Weidisch leitet den Gottesdienst, der Bibelvers bleibt dabei präsent. „An einem absoluten Tiefpunkt im Leben, weit weg, nicht im Leben – und wir werden doch gesehen“, begrüßt Weidisch die Gemeinde. „Wo könnte das besser nachvollzogen werden als in einer Tiefgarage.“
Der Gottesdienst dreht sich um die Not und die Sorgen der Menschen. In kurzen Texten werden Lebenssituationen beschrieben, in denen sich Einsamkeit, Ängste und Schmerzen entwickeln. Es geht um Tiefpunkte – um die Momente, in denen es kaum noch Hoffnung zu geben scheint. Im Gebet, im Gesang und im Gespräch nähern sich die Teilnehmer diesen Gedanken weiter. Besinnliche Musik hilft dabei: Der Saxofonspieler geht durch die Reihen. Sein Klang hallt von der niedrigen Decke durch über die riesige Parkfläche.
Gott ist auch in einer Tiefgarage
„Die Spuren Gottes können auch in einer Tiefgarage entdeckt werden“, sagt Schwester Paula. „Denn überall, wo es Leben gibt, egal in welcher Umgebung, da ist auch Gott.“ Die Kulisse soll helfen, sich dessen bewusst zu werden. Vom ersten Gottesdienst an diesem Ort im vergangenen September kennt sie das. „Das Miteinander war auch da intensiv, der Austausch lebendig.“ Es kamen viele Menschen, die sonst nicht in die Kirche kommen. „Uns war schnell klar, dass wir dieses Format wiederholen wollen.“
Ortswechsel wie diese bringen generell viel, sagt Pastor Weidisch. In diesem Fall seien die kurzen Wege aus der Nachbarschaft und der barrierefreie Zugang das eine. Die besondere Möglichkeit, „unserer Glaubensbotschaft Gehör zu verschaffen“, eine andere. „Das Vertraute kann neu zu Gehör gebracht werden, neu entdeckt und neu miteinander gefeiert werden.“ Auch und gerade in einer Tiefgarage findet er: „Der Ort ist perfekt dafür.“
Licht und Wärme an einem tristen Ort
Das finden auch die Teilnehmer. Beim anschließenden Miteinander ist das herauszuhören. Trotz des kalten Kunstlichts und der winterlichen Kühle ist Claudia Grave aus Senden „von der Wärme und dem Licht des Gottesdienstes erfüllt“, sagt sie: „Ich bin ganz begeistert, so viele Menschen an diesem Ort anzutreffen.“ Die Stuhlreihen waren mit etwa 100 Teilnehmern voll besetzt. „Es bewirkt ein Nachdenken über Lebenssituationen in schlichten Räumen“, sagt Margit Koch aus der Pfarrgemeinde St. Joseph in Münster-Süd. Sich gemeinsam die Dinge anzuschauen, „die mich beschäftigen und belasten“ geschehe in einer Tiefgarage mit einer besonderen Intensität.