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Auf Grabsteinen sind immer seltener klassische christliche Symbole zu finden. Der Trend geht hin zu individuellen Darstellungen. Auch Digitales ist mittlerweile zu finden, sagt der Warendorfer Steinmetz Stefan Robers.
Vielleicht sieht der Friedhof der Zukunft so aus: Neben Glas-Stelen mit Strass-Steinen sind Bildschirme zu finden, auf denen Fotos und Videos des Verstorbenen zu sehen sind. Durch QR-Codes auf den Grabsteinen können auf dem Handy Internetseiten aufgerufen werden. Und an die Stelle der Inschriften und christlichen Symbole sind die Tattoos der Toten in Stein gemeißelt.
Stefan Robers steht zwischen den 1500 Grabsteinen auf der Ausstellungsfläche seiner Hauptfiliale in Warendorf. | Foto: Michael Bönte
Science-Fiction? Mitnichten. All diese Trends gibt es bereits, und sie finden langsam aber sicher ihre Wege auf die Friedhöfe. Schon lange sind die Klassiker wie etwa der Naturstein mit Bronzekreuz nur noch eine Möglichkeit unter vielen, die letzte Ruhestätte zu gestalten. „Sie sind zwar noch in der Mehrzahl“, sagt Stefan Robers. „Aber seit einigen Jahren kommen immer wieder und schneller neue Trends.“
Die Grabkerze im Leuchtturm
Wenn der Steinmetz- und Steinbildhauermeister aus Warendorf sich mit trauernden Verwandten an den Tisch setzt, um ein Grabmal zu planen, liegen heute eine ganze Reihe Kataloge auf dem Tisch. In seiner Ausstellung stehen 1500 Beispiele für die aktuelle Entwicklung, die Erinnerung auf dem Friedhof möglichst individuell zu gestalten.
Der Abschied vom Familienoberhaupt, dargestellt in Edelstahl. Individuelle Gestaltungen auf Grabsteinen nehmen zu. | Foto: Michael Bönte
Vor wenigen Wochen war eine Familie bei Robers, die sich einen Leuchtturm als Symbol wünschte. „Der verstorbene Vater war gern am Meer.“ 90 Zentimeter hoch wurde das Kunstwerk, die Grabkerze fand in der Spitze Platz. Für ein anderes Grab fertigte er unlängst eine Stele, in die eine Madonna aus Familienbesitz eingearbeitet wurde. „Sie hatte immer im Herrgottswinkel in der Küche gestanden.“
Keine Eintönigkeit
Die Zeiten der Monotonie sind vorbei. Das Leben des Verstorbenen soll sich auf seiner letzten Ruhestätte widerspiegeln. Dafür gibt es mehrere Gründe, sagt der 33-Jährige, der die Geschäftsführung des Familienunternehmens Budde-Grabmale übernommen hat. „Durch die Globalisierung stehen viele unterschiedliche Materialien zur Verfügung.“ Neben regionalen Sandsteinen oder Findlingen gibt es heute etwa auch Granit aus Afrika oder Basalt aus Fernost. Auch die Bearbeitungs-Möglichkeiten haben sich geändert. „Neues Werkzeug und neue Technik erlauben neue Gestaltungsformen.“
Die entscheidenden Veränderungen aber finden in der Gesellschaft statt. Wo der Glaubenshintergrund schwindet, wird nach anderen Ausdrucksmöglichkeiten für die Zeit nach dem Tod geschaut. An die Stelle des Kreuzes als Symbol christlicher Auferstehungshoffnung treten andere Motive. „Der Baum, die Rose und das Herz“, nennte Robers Zeichen, die sich mittlerweile etabliert haben. Die Ideen aber gehen weiter: der Wohnwagen für den leidenschaftlichen Camper, die Berghütte für den Wanderer oder der LKW für den Trucker.
Hobbys in Stein gemeißelt
Dass Menschen ihre Hobbys oder ihre Arbeit auch auf dem Grabstein zum Ausdruck bringen, ist nichts Neues. Die Ähre für den verstorbenen Bauern gibt es seit Jahrhunderten. Für einen Friedhof im münsterländischen Havixbeck wurde bereits in den 1970er Jahren ein Konzept entwickelt, das eine weiterführende Individualisierung zuließ. Das Grab mit dem in Stein gehauenen Motorradhelm des motorsportbegeisterten Verstorbenen stammt aus dem 90er Jahren.
Es darf auch glitzern: Strass-Steine auf einem Granit-Grabstein. | Foto: Michael Bönte
Und auch das hat die Entwicklung neuer Darstellungsformen vorangetrieben: Viele Menschen beschäftigen sich heute bereits zu Lebzeiten mit ihrem eigenen Grabstein. Allein darin sind die vermehrt persönlichen Motive begründet: Wer seine Vorlieben und Interessen in Stein verewigt bekommen möchte, kann das intensiv vorantreiben, wenn er noch lebt.
Gestaltungsmöglichkeiten ohne Pflanzen
„In früheren Zeiten geschah die persönliche Gestaltung in erster Linie über die Bepflanzung des Grabs“, sagt Robers. Als die Grabsteine sich stark ähnelten, waren es Blumen, die den Unterschied ausmachten. In der heutigen Zeit, in der Angehörige noch selten am heimatlichen Wohnort leben und damit die Pflege der Gräber schwieriger wird, liegt der Trend nah, die Bepflanzung möglichst unaufwändig zu wählen. Steinplatten, die das ganze Grab bedecken, sind immer mehr gefragt. Auch weil es die Verstorbenen sich so gewünscht haben. „Sie wollen ihrer Familie nicht so viel Arbeit mit der Pflege aufbrummen.“ Die Individualisierung muss dann also in Stein gehauen werden.
Grabstein auf dem Friedhof im münsterländischen Havixbeck: Der Verstorbenen war ein Segler. | Foto: Michael Bönte
Was bei all diesen Entwicklungen auffällt: Christliche Zeichen rücken vermehrt in den Hintergrund. Kreuz, Engel oder Mariendarstellungen werden kleiner und weniger. „Aber nur selten verschwinden sie vollständig“, sagt Robers. Das kleine Kreuz neben dem Todesdatum des Verstorbenen behalten fast alle bei.
Was sagen die Friedhofsverwaltungen?
Was die Menschen sich wünschen, ist aber noch lange nicht das, was möglich ist. Denn die Friedhofssatzungen müssen es auch zulassen. In den vergangenen Jahren hat sich da viel getan. Wo früher etwa nur wenige Steinformen und -größen erlaubt waren, hat sich die Zulassung an vielen Orten gelockert. Die Toleranz ist heute größer. Nicht nur, was Substanz und Ausmaße angeht, es gilt auch für die Symbole. Nur selten muss Robers heute noch bei einer Friedhofsverwaltung für eine Gestaltungsidee kämpfen. Ab und zu kommt es aber noch vor: „Das letzte Mal war es das Motiv eines Löwenkopfs – das Tattoo des Verstorbenen.“
Mit Hammer und Meißel können auch digitale Zeichen auf Grabsteinen verewigt werden. | Foto: Michael Bönte
In dem Einzugsgebiet seiner 13 Filialen im Nordwesten von Nordrhein-Westfalen erfährt Robers, dass auch die Friedhöfe erkannt haben, dass eine Lockerung ihrer Satzungen dem Gesamtbild ihrer Gräberfelder gut tut. „Je zurückhaltender die Vorgaben, desto schöner die Anlagen.“
Gespräche mit dem Steinmetz werden intensiver
Sein eigener Kontakt zu den Trauernden ist durch diese Entwicklungen anders geworden. Der Steinmetz und Bildhauer erlebt intensivere Gespräche, in denen er viel mehr über die Toten erfährt als bei der Bestellung eines herkömmlichen Grabsteins. „Es geht um das Leben des Verstorbenen.“ Gerade dort, wo Familie eng zusammenrücke, erlebe er eine kreative und aufgeschlossene Auseinandersetzung mit der Grabgestaltung. „Sie wollen und können bewusst einen persönlichen und atmosphärischen Trauerort schaffen.“