Tipps für Jugendliche und Eltern

„Grooming“: Wie man Kinder vor Belästigung im Internet schützt

„Grooming“: Der Begriff steht für absichtsvolle, strategisch geplante sexuelle Anbahnung im Internet. Die Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche. Wie gehen die Akteure vor? Warum über Fake-Profile? Und was können Eltern dagegen tun?

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„Glaube keinem, der dir im Netz Vertraulichkeit zusichert. Im Internet gibt es keine Vertraulichkeit.“ Diese Mahnung hat Michael Sandkamp für Kinder und Jugendliche, die im Web, in sozialen Netzwerken, Messager-Diensten, Video-Portalen, beim Online-Gaming wissbegierig und experimentierfreudig unterwegs sind.

Eine Warnung, die Friederike Bartmann in etwas anderer Form an die Eltern richtet. „Setzt euch mit eurem Kind vor den Rechner und probiert mit ihm gemeinsam etwas aus. Dann bleibt ihr im Gespräch mit ihm und wisst, wo es sich gerade aufhält.“

 

Kinder sind „leichter ansprechbar“

 

Kinder und Jugendliche seien leichter ansprechbar für zweifelhafte Angebote, weil sie auf der Suche nach sich selbst sind, Grenzen ausloten, weil Verbotenes sie neugierig macht und sie beeinflussbar sind. Täter mit Fake-Profilen – Sandkamp spricht lieber von „Akteuren“ – seien im Netz aus dreierlei Gründen unterwegs:

  • Weil sie absichtsvoll und strategisch geplant eine sexuelle Anbahnung suchen, Experten sprechen von „Grooming“.
  • Weil sie unter falschen Profilen oder Handy-Nummern Menschen, die sie kennen, mobben wollen, der Fachbegriff ist „Cyber-Mobbing“.
  • Oder weil sie politische oder anderweitige Hasskommentare ins Netz stellen wollen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden.

Bartmann beschäftigt sich bei der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NW in Münster mit Grooming und Cyber-Mobbing. Sandkamp kooperiert, weil der Referent für Eltern und Schule im Bischöflichen Generalvikariat im Vorstand des kirchlichen Vereins sitzt. Sein Schwerpunkt liegt in der Prävention.

 

Kinder sprechen nicht offen über Grooming

 

Junge Menschen verbringen täglich fast sieben Stunden im Internet. Das ist drei Mal so viel wie ältere Bürger, so eine kürzlich veröffentlichte Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Young. Zwar sind „unangenehme Bekanntschaften“, die Kinder und Jugendliche über ihr Smartphone machen, laut einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus dem Jahr 2016 eher gering. Nur zwei Prozent der Handy-Besitzer haben danach schon Inhalte zugeschickt bekommen, die ihnen Angst gemacht haben oder die ihnen unangenehm waren.

Die Studie bezieht sich auf Minderjährige zwischen sechs und 13 Jahren. Dennoch, so Bartmann und Sandkamp übereinstimmend, würden Kinder über Grooming auch nicht unbedingt offen sprechen. Erst recht nicht mit den Eltern.

 

„Schick mir ein Foto“

 

Bartmann beschreibt eine typische Anbahnung mit dem Ziel, Fotos der Opfer abzugreifen, einen Kontakt herzustellen oder sogar ein Treffen herbeizuführen. Die Akteure sind in der Regel Männer, manchmal älter, manchmal gleichaltrig. Zielgruppen sind Mädchen wie Jungen.

Friederike Bartmann ist Referentin bei der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NW. Michael Sandkamp arbeitet im Referat Eltern und Schule im Bischöflichen Generalvikariat Münster. | Fotos: privatFriederike Bartmann ist Referentin bei der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NW. Michael Sandkamp arbeitet im Referat Eltern und Schule im Bischöflichen Generalvikariat Münster. | Fotos: privat

Erste Schritt sei, dass sich der Akteur als gleichaltrig ausgibt, unter falschem Namen. Bartmann: „Er täuscht etwa vor, für eine Model-Agentur zu arbeiten.“ Im zweiten Schritt überprüft er die Identität des Kindes, seine Bilder, Links, das Alter und Geschlecht. Bereits jetzt kommt: „Schick mir ein Foto von dir...“ – „Stell die Webcam an...“

 

Manipulationen und Erpressungen

 

In Phase drei baut er Vertrauen auf. Läuft es beim Kind in der Schule nicht gut, gibt er sich verständnisvoll: „Lass den Kopf nicht hängen. Ich bin auch nicht so super.“ oder „Dafür siehst du aber toll aus ...“ Das erste Nackt-Halbbild wird gefordert – „noch mit BH“, sagt Bartmann. Bald verlangt er eins ohne.

„In der vierten Phase beginnen die Abhängigkeiten, Manipulationen, Übergriffe und Erpressungen.“ Spätestens jetzt wird die Kommunikation auf für den Akteur sicherere Kanäle gewechselt: auf Whatsapp und Skype.

 

Wie kann man Kinder vor Grooming schützen?

 

Kinder und Jugendliche empfinden sexuelle Anbahnung im Netz anfangs oft als Spiel“, sagt Michael Sandkamp vom Generalvikariat. Das mache es so schwer, dass sie sich Eltern, Lehrern oder Freunden gegenüber darüber äußern. „Sie geben sich eine Mitschuld am Geschehen, etwa weil sie vorgegeben haben, 14 zu sein, aber noch zwölf sind.“

Zudem haben die Erwachsenen meist davor gewarnt, keine persönlichen und erst recht keine erotischen Fotos zu versenden. Kinder wüssten also in der Regel, dass sie nicht richtig gehandelt haben. Das mache sie zusätzlich erpressbar durch den erwachsenen Akteur im Netz, der die Bilder haben will.

 

„Offener Kontakt zu Eltern ist bester Schutz“

 

Problembelastete Jugendliche seien ansprechbarer für vorgespielte Zuwendung im Netz als Kinder, denen es gut geht. Sie seien anfällig für Lob, Bewunderung, dafür, dass sich jemand Zeit für sie nimmt, sagt Friederike Bartmann von der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NW.

„Der beste Schutz vor Grooming ist ein guter und offener Kontakt zwischen Eltern und Kindern.“ Friederike Bartmann hat noch weitere Tipps, die man beachten sollte.

- Computer-Regeln mit den Kindern vereinbaren: Niemals die Webcam bei fremden Menschen einschalten.
- Keine Fotos mit Standort-Informationen versenden und überhaupt mit persönlichen Informationen im Netz sehr sparsam umgehen.
- Nie ein Treffen mit einem Fremden vereinbaren oder dazu einen Erwachsenen mitnehmen.
- Unangenehme Kontakte sofort abrechen. Den Kindern vermitteln: „Du darfst Nein sagen.“
- Im Netz gibt es keine Vertraulichkeit, auch wenn das zugesichert wird. Deswegen niemandem glauben, der den vertraulichen Umgang mit Bildern zusichert.
- Eltern sollten Zeit mit den Kindern vor dem Computer verbringen, damit sie sehen und verstehen, welche Möglichkeiten es gibt, sich im Netz zu bewegen.
- Beweise von unangenehmen Kontakten durch Screen-Shots (Bildschirm-Fotos) sichern und dem Betreiber den Fall melden.
- Den Kontakt zu einem unangenehmen Akteur unterbinden, in dem man den eigenen Zugang blockiert, sich ein neues Profil anlegt und das alte nicht mehr bedient.

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