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Feuerwerke und Fackelzüge für ein gescheitertes Attentat eines Katholiken? Was sich skurril anhört, ist in Großbritannien Realität. Seit mehr als 400 Jahren.
Die Briten sind für ihre Vorliebe für verrückten Traditionen und Volksfeste bekannt: Käse-Rollen in Gloucestershire, Weltmeisterschaften im Moorschnorcheln, Regatta in einem Yorkshire-Pudding. Doch ein landesweites Großereignis für einen gescheiterten katholischen Attentäter, der vor über 400 Jahren hingerichtet wurde?
In der sogenannten „Bonfire Night“ werden überall Feuerwerke gezündet und Fackelzüge ziehen durch das gesamte Land. Der Anlass: die Schießpulververschwörung („Gunpowder Plot“) von 1605. Der Anlassgeber: Guy Fawkes (1570-1606).
Großbritannien in konfessionellen Wirrungen
Die Hintergründe für den „Gunpowder Plot“ liegen in den konfessionellen Wirrungen in Großbritannien seit der Mitte des 16. Jahrhunderts: 1534 spaltete sich Henry VIII. von der katholischen Kirche ab und gründete die „Church of England“ (anglikanische Kirche). Später versuchte Mary Tudor, besser bekannt als „Bloody Mary“ (Maria, die Blutige), den Katholizismus wieder als Staatsreligion zu etablieren. Dabei ließ sie mehr als 300 Protestanten hinrichten. Ihre Cousine Elizabeth I. kehrte wiederum zur Anglikanischen Kirche zurück, zeigte sich jedoch tolerant gegenüber den Katholiken.
Als sich herausstellte, dass ihr Nachfolger James I. nicht vorhatte, sich mit den englischen Katholiken zu versöhnen, planten einige von ihnen rund um Guy Fawkes einen Anschlag auf den König. Für das Attentat wählten sie die erste Parlamentseröffnung aus, die seit jeher ein Großereignis in England war.
Über 2,5 Tonnen Schießpulver
Sie hofften, dass auf James ein katholischer König folgen würde. Und nicht nur der König sollte eliminiert werden – die „Gunpowder Plotters“ hatten es auf das gesamte englische Parlament abgesehen, in dem hauptsächlich Protestanten saßen. Aber auch anglikanischen Bischöfe und ein Großteil der Aristokratie waren anwesend.
Guy Fawkes fiel es zu, 36 Fässer Schießpulver (rund 2,5 Tonnen) im Keller des Parlaments zu platzieren und während der Zeremonie zu zünden. Diese Menge an Sprengstoff hätte, nach heutigen Berechnungen, alles im Umkreis von einem Kilometer zerstört. Zur Sprengung kam es allerdings nicht mehr, denn am Morgen des 5. November 1605 wurde der Verschwörer auf frischer Tat ertappt. Wahrscheinlich wurde er durch den katholischen Abgeordneten Lord Monteagle verraten, der wegen eines Warnbriefs die Behörden informierte.
Anonymous & V wie Vendetta
Nach der Festnahme wurde Fawkes gefoltert und öffentlich zur Schau gestellt. Noch am selben Abend ließ König James Freudenfeuer („Bonfire“) in der gesamten Stadt zünden, um das verhinderte Attentat zu feiern. Auch machte er durch den „Thanksgiving Act“ einen Gottesdienst zum 5. November verpflichtend.
Heute kennt die ganze Welt Fawkes Gesicht, obwohl sich nicht alle darüber im Klaren sind: Die sogenannte „Anonymous“-Maske, die von der gleichnamigen Gruppe getragen wird, ist Guy Fawkes Gesicht nachempfunden. Manche kennen die Maske vielleicht auch aus „V wie Vendetta“. Die Fawkes-Maske wird auch bei politischen Protesten verwendet, etwa 2019 in Hongkong oder beim Sturm auf das US-Kapitol 2021.
„Remember, remember the fifth of November“
Noch heute scherzt man, dass Guy Fawkes der einzige Mann gewesen sei, der mit ehrlichen Absichten das Parlament betrat. Und auch sonst hat der katholische Verschwörer seine Spuren hinterlassen: Jedes Mal, bevor der Monarch das Parlament betritt, wird der Keller überprüft. Und John Lennons Song „Remember“ endet nach den Worten „Remember, remember the fifth of November“ in einer Explosion.