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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat ein Dekret zur Nutzung der Hagia Sophia in Istanbul als Moschee unterzeichnet. Besorgt und enttäuscht zeigten sich Kirchenvertreter, Politiker, EU und Unesco.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat ein Dekret zur Nutzung der Hagia Sophia als Moschee unterzeichnet. Erdogan sagte, am 24. Juli solle dort das erste Freitagsgebet stattfinden. Zugleich betonte er, das Gebäude stehe Menschen egal welchen Glaubens offen.
Am Freitagabend hatte das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei den Status des Wahrzeichens von Istanbul als Museum annulliert. Damit können in der Hagia Sophia wieder religiöse Feiern stattfinden. Christliche Kirchen und internationale Politiker reagierten enttäuscht.
Nachbarländer sehen „Provokation“
Die Hagia Sophia („Göttliche Weisheit“) wurde 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und war die größte Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels (Istanbuls) durch die Osmanen wurde sie 1453 zur Moschee und mit Minaretten versehen. Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk machte sie 1934 zum Museum.
Die griechische Präsidentin Katerina Sakellaropoulou wertete die Moschee-Nutzung als „zutiefst provokanten Akt gegen die internationale Gemeinschaft“. Dies beleidige auf „brutale Weise das historische Gedächtnis, untergräbt den Wert der Toleranz und vergiftet die Beziehungen der Türkei zur gesamten zivilisierten Welt“, schrieb sie auf Twitter.
„Schlag für die Weltorthodoxie“
Zyperns Außenminister Nikos Christodoulidis twitterte, sein Land verurteile mit Nachdruck das türkische Handeln. Die Hagia Sophia sei ein „universelles Symbol des orthodoxen Glaubens“.
Die russisch-orthodoxe Kirche erklärte, die Umwandlung der einstigen Kirche belaste die Beziehungen der Türkei zur christlichen Welt. „Das ist ein Schlag für die Weltorthodoxie, denn für alle orthodoxen Christen ist die Hagia Sophia so ein Symbol wie der Petersdom in Rom für Katholiken“, sagte Metropolit Hilarion, Außenamtschef der russischen Kirche. Keine Reaktion gab es bislang vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., dem Ehrenoberhaupt der Orthodoxen.
Weltkirchenrat: Zeichen der Ausgrenzung
Der Ökumenische Rat der Kirchen kritisierte, mit der Entscheidung sei „das positive Zeichen der Offenheit der Türkei umgekehrt und in ein Zeichen der Ausgrenzung und Spaltung verwandelt“ worden.
Der Religionsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Grübel (CDU), bedauerte die Entwicklung. Die Hagia Sophia habe „historische Bedeutung sowohl für das Christentum als auch für den Islam. Bei einer Statusänderung sollte es als Ort der Begegnung und des Austauschs zwischen beiden Religionen dienen.“
Bischofskonferenz fürchtet Signal „religiösen Raumgewinns“
Ähnlich äußerte sich die Deutsche Bischofskonferenz. Pressesprecher Matthias Kopp beschrieb die Gefahr, die Hagia Sophia könne wieder „als Symbol religiösen Raumgewinns gedeutet werden“. Die Bischöfe wünschten sich eine Entscheidung, die „die Einheit des Landes und das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärkt, statt Bitterkeit zu schüren“.
Sternberg: Gemeinsame Nutzung von Muslimen und Christen
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, schrieb auf Twitter: „Dass man in der Hagia Sophia beten darf, ist richtig, sie ist kein Museum. Der Säkularismus Atatürks war gegen jede Religion.“ Sternberg regte an, das Bauwerk solle seine „Geschichte dadurch spiegeln, dass Muslime und Christen darin beten“.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, schrieb auf Facebook, als Museum sei die Hagia Sophia von vielen Menschen „als Ort eines friedlichen Zusammenlebens der Religionen besucht worden. Das war gut so.“ Die jetzige Entscheidung „wirkt dem entgegen und sollte rückgängig gemacht werden“.
EU und Unesco äußern Bedauern
Der Vizepräsident der EU-Kommission und Außenbeauftragte, Josep Borrell, nannte den Schritt „bedauerlich“. Die Hagia Sophia habe einen „starken symbolischen, historischen und universellen Wert“. Er erinnerte die Türkei daran, sie habe sich als „Gründungsmitglied der Allianz der Zivilisationen“ zur „Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs und zur Pflege von Toleranz und Koexistenz“ verpflichtet.
Die Unesco bedauert die Entscheidung zur Hagia Sophia. Sie sei ohne Absprache mit der Weltkulturorganisation erfolgt, so Generaldirektorin Audrey Azoulay. Seit 1985 zählt die Hagia Sophia zum Weltkulturerbe der Unesco.
16.30 Uhr: Weitere Reaktionen: Russische Kirche, Weltkirchenrat, Sternberg, Bedford-Strohm