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Unter dem Titel "Eine Welt. Keine Sklaverei - Schützt Kinder vor Online-Missbrauch!" hat das katholische Hilfswerk Missio eine Online-Petition gestartet. Es geht um den Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen im Internet. Im Interview erklärt Missio-Präsident Dirk Bingener die Hintergründe. Um den Kampf gegen moderne Sklaverei geht es auch bei einer zweitägigen Missio-Konferenz. Unter Schirmherrschaft von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) diskutieren Expertinnen und Experten aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit Projektpartnerinnen und -partnern von Missio.
Pfarrer Bingener, Missio wendet sich mit einer Petition gegen Online-Missbrauch an die Bundesregierung. Worum geht es?
Wir fordern drei Dinge: Einmal mehr Verpflichtungen für die großen Internet-Plattformen, dass sie gegen Missbrauchsdarstellungen vorgehen und diese melden. Dann mehr Zeit für die Ermittlungsbehörden durch längere Datenspeicherung. Die Daten müssen mindestens drei Monate gespeichert werden, um vernünftig ermitteln zu können. Und drittens mehr Personal, konkret mehr Ermittelnde beim Bundeskriminalamt im Bereich des Online-Kindesmissbrauchs.
Wie groß ist dieses Problem?
Das FBI schätzt, dass weltweit Tag für Tag rund 750.000 Täter - überwiegend Männer - auf der Suche nach minderjährigen Opfern sind. Nur ein Beispiel unserer Projektpartner: Einem 12-jährigen Mädchen aus armen Verhältnissen auf den Philippinen wird versprochen, als Babysitter zu arbeiten und Geld zu verdienen. Doch das Jobangebot ist eine Falle, sie wird vor eine Kamera gesetzt und muss das tun, was die Täter von ihr verlangen. Sie muss das über sich ergehen lassen, weil es ein Mann aus den USA oder aus Deutschland so wünscht.
Über die Petition hinaus beschäftigen Sie sich bei Ihrer Konferenz mit moderner Sklaverei. Was meint das?
Die eben genannte sexualisierte Gewalt ist eine Form der Ausbeutung, auch in Form von Sextourismus und Zwangsprostitution. Dagegen kämpfen wir ja schon lange mit unserer Aktion Schutzengel. Andere Beispiele sind Menschen, die in den Goldminen im Kongo ausgebeutet werden, auf äthiopischen Blumenfeldern, in Textilfabriken in Bangladesch oder auf Kakaoplantagen in Ghana.
Bei Sklaverei denken viele an die Vergangenheit...
... dabei ist das Thema leider hochaktuell und alles andere als von gestern. Es geht immer um Zwang und Gewalt und um das Ausnutzen von Armut und anderen Notsituationen. Ich denke da etwa an eine Familie, die sich durch Arztkosten nach einer Krankheit verschulden muss und immer tiefer in die Abhängigkeit gerät, oft noch verstärkt durch Zinswucher und andere kriminelle Machenschaften.
Gibt es das Problem nur in den armen Ländern?
Keineswegs. Denken Sie etwa an den katholischen Sozialpfarrer Peter Kossen, der auch an unserer Konferenz teilnimmt. Im letzten Jahr hat er einmal mehr offengelegt, wie katastrophal die Verhältnisse in der Fleischindustrie sind hier in Deutschland. Und Corona hat uns allen gezeigt, was das für Folgen haben kann für Menschen, die unter diesen Bedingungen arbeiten müssen.
Das Problem erkennen ist das eine - aber was kann man tun?
Bewusstseinsarbeit ist schon mal der erste wichtige Schritt. Und dazu gehört auch, klar zu machen, dass wir Produkte nutzen, in denen moderne Sklaverei stecken kann. Denken Sie an viele Smartphones mit Rohstoffen aus Kinder- und Sklavenarbeit. Oder Billigtextilien, Kakao, Schokolade und vieles mehr - wenn die Sachen nicht aus dem fairen Handel kommen. Und was jeder noch tun kann: unsere Projektpartner unterstützen, die sich vor Ort für faire Bedingungen einsetzen und Alternativen zur Sklavenarbeit anbieten.
Zum Beispiel?
Ich denke etwa an das Kinderschutzzentrum Preda auf den Philippinen, gegründet und geleitet von Pater Shay Cullen. Er holt die Kinder aus den Bordellen, bringt die Täter - weltweit - vor Gericht, klärt die Familien über die Gefahren auf und bietet selbst Alternativen an, etwa die Arbeit in den Mango-Plantagen unter fairen Bedingungen, um der Familie so das Überleben zu sichern. Und das ist nur eine Beispiel von vielen unserer Projektpartner, die hier auch auf unserer Konferenz ihre Arbeit vorstellen.
Entwicklungsminister Müller unterstützt Ihre Arbeit - wie sieht es sonst aus in Politik und Wirtschaft?
Da passiert schon so manches, etwa beim neuen Lieferkettengesetz - auch wenn wir sagen: Das ist nur ein erster Schritt und noch nicht ausreichend. Aber man muss dranbleiben - auch gegen die Interessen vieler in der Wirtschaft. Das braucht einen langen Atem - und den erhoffe ich mir auch von der nächsten Bundesregierung. Da ist noch Luft nach oben.
Was kann jeder im Alltag tun gegen Sklaverei?
Fairer Handel ist eine ganz wichtige Sache: Was kaufe ich und was unterstütze ich damit? Da haben wir als Verbraucher eine große Verantwortung - und auch Macht. Informieren Sie sich beim Einkauf, auch über die verschiedenen Labels, die gute Arbeitsbedingungen garantieren.
Wie sieht das bei einem Handy aus? Da habe ich noch kein Transfair-Siegel gesehen...
Erste Frage: Brauchen Sie wirklich ein neues, oder tut es das alte noch? Und wenn nicht mehr - dann geben Sie es an Missio über eine der Sammelstellen. Wir sammeln alte Handys, recyceln die Rohstoffe und tun was Gutes damit. Und wenn Sie wirklich ein neues Smartphone brauchen, dann informieren Sie sich über möglichst nachhaltige Geräte mit umweltfreundlicherer Produktion und ohne Rohstoffe aus Sklavenarbeit. Hier ist zum Glück eine Menge in Bewegung geraten.