SPD-Politiker und engagierter Katholik starb mit 94 Jahren

Hans-Jochen Vogel ist tot

Der SPD-Politiker und engagierte Katholik Hans-Jochen Vogel ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 94 Jahren nach langer Krankheit in München, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten.

Anzeige

Der SPD-Politiker und engagierte Katholik Hans-Jochen Vogel ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 94 Jahren nach langer Krankheit in München, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Der in zweiter Ehe verheiratete Vogel lebte zuletzt mit seiner Frau in einem Münchner Seniorenstift. Er war an Parkinson erkrankt.

Vogel war von 1960 bis 1972 Münchner Oberbürgermeister, von 1987 bis 1991 Parteivorsitzender und von 1983 bis 1991 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Von 1972 bis 1974 war er Bundesbauminister, danach bis 1981 Justizminister. Vor der härtesten Bewährungsprobe stand er damals - gemeinsam mit Kanzler Helmut Schmidt und anderen - während der Zeit des RAF-Terrorismus. „Die schwierigste Entscheidung, an der ich beteiligt war, war die Entscheidung nach der Entführung von Hanns Martin Schleyer und nach der Entführung der Landshut“, sagte er. 1982 unterlag Vogel im Kampf um das Kanzleramt Helmut Kohl (CDU).

 

"Der erste pratkizierende Katholik in der SPD"

 

Mitglieder des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD nannten ihn "der erste pratkizierende Katholik" in der Partei, in die er mit 24 Jahren eintrat. "Auf deinem politischen Lebensweg hast du in beeindruckender Weise gezeigt, was sozialdemokratisches Handeln aus dem Geist des Evangeliums bedeutet", heißt es in einer Würdigung Vogels zu dessen 90. Geburtstag.

Hans-Jochen Vogel wurde 1926 in Göttingen geboren. Mit seiner evangelischen Frau Liselotte führte er bewusst eine ökumenisch geprägte Ehe. Immer wieder engagierte er sich bei Kirchen- und Katholikentagen. Von Hans-Josef Vogel wird berichtet, dass er sonntags immer abwechselnd einen evangelischen und einen katholischen Gottesdienst besuchte. Sein Bruder ist der CDU-Politiker Bernhard Vogel.

 

Engagement bis zuletzt

 

Vogel galt in der SPD als Urgestein und Parteisoldat mit starken moralischen Grundsätzen. Verspottet wurde er als Pedant mit der Klarsichthülle. Bis zuletzt engagierte sich Vogel gesellschaftlich, unter anderem als Gründungsvorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen - Für Demokratie“. Zu Tagungen der Katholischen Akademie in Bayern kam er gerne und beteiligte sich an aktuellen Debatten.

Als Katholik und Jurist hielt der SPD-Politiker das Staat-Kirche-Verhältnis in Deutschland für gelungen, wie er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) einmal sagte. Es sprächen gute Gründe dafür, daran festzuhalten. Dabei schließe er die Kirchensteuer und die „aus der Weimarer Verfassung übernommenen Regelungen des Grundgesetzes“ mit ein.

 

Steinmeier: Respekt in allen Parteien

 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich auch persönlich sehr betroffen. „Hans-Jochen Vogel hat für Toleranz, Respekt und das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft gearbeitet und gekämpft“, erklärte er. „Seine Disziplin und Geradlinigkeit, sein Pflichtbewusstsein und sein christliches Menschenbild haben ihm über alle Parteigrenzen hinweg größten Respekt eingebracht.“

In allen seinen Ämtern habe sich Vogel engagiert für das friedliche Miteinander der europäischen Völker eingesetzt. Die eigene Erfahrung als Kriegsteilnehmer habe ihn zum leidenschaftlichen Verfechter eines „Nie-Wieder“ gemacht.

 

Marx: Das soziale Gewissen der SPD

 

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx würdigte Vogel als einen Menschen, für „dessen Handeln das christliche Menschenbild leitend gewesen“ sei. „Es war nicht unbedingt selbstverständlich, wie Hans-Jochen Vogel als Sozialdemokrat sein Katholisch-Sein und seine damit verbundenen moralischen Grundsätze öffentlich bekannte und lebte.“ Zeit seines Lebens habe er auf Missstände hingewiesen und den Blick der Verantwortlichen in besonderer Weise auf Ungerechtigkeit gelenkt. „Mit Recht nannte man ihn das soziale Gewissen der SPD“, so Marx.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erklärte, der „leidenschaftliche Sozialdemokrat“ habe „Politik stets aus tiefer Überzeugung und aus innerer Verpflichtung gestaltet“. Vogel sei daran gelegen gewesen, Menschen zusammenzuführen und Brücken zu bauen.

 

Söder: Authentischer Politiker

 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, mit Vogel „verliert Deutschland eine herausragende Persönlichkeit. Über Parteigrenzen hinweg genoss er durch seine glaubwürdige Politik und authentische Art höchstes Ansehen.“ Als Münchner Oberbürgermeister habe Vogel die Entwicklung der Stadt entscheidend mitgeprägt und sich auch später stets in den Dienst der Gesellschaft gestellt.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, erklärte, Vogel habe in seiner Jugend den Aufstieg der Nationalsozialisten und die Zerstörung des Landes im Krieg erlebt. „Der Drang, die demokratische Kultur der Bundesrepublik zu bewahren und zu schützen, wurde zu einer Triebfeder seines politischen Handels. Auch das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit war ihm ein Herzensanliegen“, so Knobloch. „Er stand zeit seines Lebens an der Seite der jüdischen Gemeinschaft, die ihm wie unser ganzes Land ein ehrendes Andenken bewahren wird.“

UPDATE 26.07.2020, 18:15: Reaktionen Steinmeier, Marx, Söder, Knobloch (mn)

Anzeige