NRW und Niedersachsen bereiten Gesetze vor

Hausverbot für Kreuz und Kippa bei Gericht?

In fast allen Ländern gibt es Streit, ob Kreuze in Gerichtssälen Platz haben. Derzeit bereiten mit NRW und Niedersachsen zwei weitere Bundesländer Gesetze vor, die das Tragen religiöser Symbole für Vertreter der Justiz untersagen.

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Dass das Kreuz Ärgernis erregt, betont schon die Bibel. In fast allen westlichen Ländern gibt es Streit darum, ob Kreuze und andere religiöse Symbole in Gerichtssälen Platz haben. Auch in Deutschland.

Derzeit bereiten mit NRW und Niedersachsen zwei weitere Bundesländer Gesetze vor, die das Tragen religiöser Symbole für Vertreter der Justiz während der Arbeit untersagen. Auch ist vor dem Bundesverfassungsgericht die Klage einer muslimischen Rechtsreferendarin aus Hessen anhängig, die gegen ein Kopftuchverbot im Gerichtssaal klagt. Im Juli 2017 entschied Karlsruhe vorläufig gegen sie: Juristen im Staatsdienst müssten neutral auftreten.

 

Bundesjustizministerin gegen religiöse Symbole

 

Auch Kruzifixe in Gerichtssälen sind immer wieder Thema öffentlicher Auseinandersetzung. Während Vertreter der Kirchen solche Kreuze als Ausdruck der Wertegebundenheit des Rechts verteidigen, sind sich Staatsrechtler weithin einig, dass der Staat dem Bürger gerade im Gerichtssaal in strenger Neutralität gegenübertreten müsse und Kreuze dort nicht angebracht seien.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) und der Deutsche Richterbund plädierten erneut dafür, dass Richter und Staatsanwälte künftig keine religiösen Symbole wie Kreuze oder Kopftücher bei Verhandlungen tragen dürften. „Ein Gericht entscheidet unabhängig von religiösen Einstellungen. Diese Neutralität muss auch nach außen sichtbar werden“, so Barley.

 

An der Wand - oder an der Kleidung?

 

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU), eine Katholikin, sieht Unterschiede zwischen Wandkreuzen und Kleidungsstücken. „Es ist schon etwas anderes, ob ein religiöses Symbol im Saal hängt oder von einem Richter getragen wird. Denn das Recht wird durch Menschen gesprochen, nicht durch Säle“, sagte sie kürzlich in der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“.

Das Aufhängen von Kruzifixen in Gerichten ist nicht gesetzlich geregelt; oft geht es um Verwaltungsvorschriften. Schon 1973 entschied das Bundesverfassungsgericht: Wenn das Kreuz im Gerichtssaal den weltanschaulichen Überzeugungen von Prozessbeteiligten entgegensteht, kann dies das Recht auf Religionsfreiheit verletzen. Prozessbeteiligte könnten deshalb verlangen, das Kreuz in Verhandlungen abzuhängen. Auch Richter haben Ermessensspielraum.

 

Die meisten Kreuze sind längst verschwunden

 

De facto sind die Kreuze schon lange aus vielen Gerichtssälen verschwunden. Oft sind es örtliche Gerichtspräsidenten, die dem Kreuz Hausverbot erteilen - etwa 2006 am Landgericht Trier und 2016 am Amtsgericht Saarbrücken. „In gerade zwei niedersächsischen Gerichten hängen noch welche“, sagt Havliza. Schon 2010 erklärte die damalige NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU), dass in den zurückliegenden 40 Jahren durch Renovierungen und Neubauten Kreuze nach und nach aus den Gerichtsgebäuden verschwunden seien.

Unabhängig davon planen immer mehr Bundesländer ein Verbot religiöser Kleidungs- oder Schmuckstücke von Mitarbeitern der Justiz in Gerichtssälen. Als erstes hatte Baden-Württemberg 2017 ein Gesetz zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften verabschiedet. Im April 2018 folgte Bayern.

 

Niedersächsische Ministerin verteidigt Pläne

 

Havliza verteidigt vehement ihre Pläne, auch in Niedersachsen Richtern das Tragen religiöser und weltanschaulicher Symbole zu verbieten - egal, ob Kreuz oder Kopftuch. Je größer die religiöse Vielfalt, „desto wichtiger ist es eben, die neutrale Haltung von Gerichten zu betonen“ sagt sie. „Wir müssen jeden Eindruck vermeiden, dass die Religion Einfluss auf Urteile nimmt.“

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