Interview und Video: Zwei Männer erzählen von ihrer Motivation

Heinrich Thoben und Niklas Belting werden zu Priestern geweiht

Ohne Worte - aber mit viel Aussage: Ein außergewöhnliches Video-Interview mit Niklas Belting (links) und Heinrich TobenVideo: Michael Bönte

An Pfingsten werden Heinrich Thoben und Niklas Belting von Bischof Felix Genn zu Priestern geweiht. Zwei unterschiedliche Männer, die ihre Freude am sozialen Engagement eint. Im Interview berichten sie auch von ihren Hobbys. Im Video lachen sie viel.

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An Pfingsten werden Heinrich Thoben und Niklas Belting von Bischof Felix Genn zu Priestern geweiht. Zwei unterschiedliche Männer, die ihre Freude am sozialen Engagement eint. Im Interview berichten sie auch von ihren Hobbys.

Kirche tut sich derzeit nicht gerade leicht, in der Gesellschaft positiv wahrgenommen zu werden. Wie sind Sie da auf die Idee gekommen, Priester zu werden?

Niklas Belting: Ich finde es spannend, dass Kirche gerade nicht mehr etabliert ist. Weil Kirche dadurch viel mehr Möglichkeiten bekommt. Das habe ich in den zwei Jahren in Herten mitbekommen. Denn Kirche zieht sich nur teilweise zurück. Es kommen immer noch sehr viele Leute auf uns zu. Die Menschen sind gerade im säkularen Umfeld sehr aufgeschlossen. Da habe ich schöne Glaubensgespräche erlebt. Das macht mir Mut.
Heinrich Thoben: Münster-Coerde ist ähnlich. Eine ganz andere Welt, als ich es aus dem Oldenburger Land kenne. Deswegen war ich erst total erschrocken, und ich habe gesagt: Hier bleibe ich keine zwei Jahre als Diakon. Als dann aber ein paar Tage vorbei waren, hatte ich mich gut eingelebt. Weil die Menschen in besonderer Weise authentisch und ehrlich sind. Es ist ein sozialer Brennpunkt von Münster mit vielen Nationalitäten.
Belting: Kirche-Sein mit diesen Menschen lässt sich oft mehr spüren. Man ist einfach näher dran an den Lebenssituationen. Woanders verschwinden die Sorgen manchmal hinter Fassaden.

Dann ist Papst Franziskus ein Mann ganz nach Ihrem Geschmack?

Thoben: Ich finde seine soziale Art klasse. Ich bin jetzt schon 56 Jahre alt und arbeite seit 30 Jahren ehrenamtlich bei der Caritas. Auch mir macht es Freude, bei den Menschen zu sein. Das ist einfach schön.
Belting: Franziskus ist ein Papst, den man versteht, er ist nicht so kompliziert theologisch. Er bringt viele Dinge praktisch auf den Punkt. Der alte Pfarrer in Herten sagte einmal: Niklas, nach der Priesterweihe bleibt man auch Diakon, der den Armen und Kranken beisteht.

Heinrich Thoben
kommt aus der St.-Jakobus-Gemeinde in Scharrel im Saterland. Aufgewachsen im Schatten der Kirche St. Peter und Paul war er in vielen Bereichen der Pfarrgemeinde ehrenamtlich aktiv. Der heute 56-Jährige saß zum Beispiel 30 Jahre im Pfarrgemeinderat und war 40 Jahre Mitglied der dortigen Kolpingsfamilie.
Sein soziales Engagement in der Gemeindecaritas war ausschlaggebend für seine Entscheidung, sich 2010 zum Diakon mit Zivilberuf weihen zu lassen. Bis zum Entschluss, ins Priesterseminar Collegium Borromaeum in Münster zu gehen, ließ er sich aber noch bis 2016 Zeit. Aufgrund seiner vo-rangegangenen Ausbildung absolvierte er nur eine darauf aufbauende Ausbildung zum Priester.  Zwei Jahre verbrachte er dabei in der St.-Franziskus-Gemeinde in Münster-Coerde. Dort initiierte er unter anderem ein offenes Angebot in der Adventszeit, das zum Abschalten, Nachdenken und Ruhigwerden einlud.

Warum wollten Sie dann noch Priester werden?

Thoben: Ich habe mir den Schritt erst nicht zugetraut. Als Diakon habe ich aber gemerkt, dass ich bei den Menschen, die mich brauchten, manchmal passen musste. Etwa bei der Krankensalbung. Ich hatte Kranke lange begleitet und konnte ihnen dieses Sakrament dann nicht spenden. Ich musste denen, die mir so sehr vertrauten, einen Korb geben. An einem solchen Punkt hat mich dann irgendwann der Blitz getroffen, und ich wollte etwas ändern. Da reifte die Entscheidung, Priester zu werden.
Belting: Bei mir war das ganz anders. Mich traf nicht so einen Blitz. Bei mir war es eher die Oma, die mir den Impuls gab. Ich bin zwar irgendwie katholisch aufgewachsen, aber nicht gerade kirchennah. Ich war nie Messdiener oder in einer anderen Gemeindegruppe. Oma hat mich aber mit zur Kirche genommen und mich für die Gemeinschaft dort begeistert. Gerade das Gebet hat mich beeindruckt. Es war selbstverständlich und ernsthaft. Dabei habe ich gespürt, dass da noch mehr ist. Wodurch ich zunächst in die soziale Arbeit rutschte. Ich habe ehrenamtlich bei der Hausaufgaben-  betreuung und im Altenheim mitgeholfen. Dabei reifte bei mir der Entschluss, Priester zu werden, stetig.

Wie reagierte Ihr Umfeld auf diese Entscheidung?

Thoben: Durchweg positiv, ob Freunde oder Familie. Das habe ich während meiner Ausbildung deutlich gespürt. Mein Chef hat sich allerdings ein wenig geärgert, weil ich jetzt nach 38 Jahren in seinem Geschäft für Raumausstattung gegangen bin.
Belting: Auch wenn ich aus dem katholischen Bocholt komme – meine Familie hat sich erst nicht gefreut. Die hatte sich schon etwas anderes vorgestellt. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass meine Eltern meinten, einen Sohn zu verlieren. Ich habe da auch lange echt mit gekämpft. Letztlich war das auch gut, weil ich dadurch immer bewusst mit der Entscheidung zu tun hatte. Mittlerweile freuen sich zuhause aber alle mit.

Wie sehen Sie sich künftig als Priester?

Thoben: Ich will Seelsorger sein, dafür sind Priester da. Weil wir dabei etwas Wunderbares verkündigen können: die frohe Botschaft Jesu. Ich bin überzeugt, das wir die Menschen vor allem damit erreichen können, wenn wir Wegbegleiter sind. Da können wir im positiven Sinn Dienstleister sein. Vielleicht ist es gut, dass ich aufgrund meines besonderen Ausbildungswegs nie leitender Pfarrer werden kann. Als Diakon mit Zivilberuf bin ich ein Quereinsteiger. Ich werde also nicht so mit Leitungsfunktionen belastet sein, sondern kann mich voll auf die Arbeit mit den Menschen konzentrieren. Für diese Möglichkeit bin ich Bischof   Felix dankbar.

Niklas Belting
Der gebürtige Bocholter wuchs in der Pfarrei Liebfrauen in Bocholt auf. Einen klassischen Weg durch die Gruppen und Gremien der Gemeinde ging er nicht. Allein über seine Großmutter fand er Kontakt dorthin. Vor allem im sozialen Engagement fühlte sich der heute 28-Jährige zuhause. So war er in der Hausaufgabenhilfe und in der Altenbetreuung aktiv. Schon vor dem Abitur besuchte er eine Infoveranstaltung im Priesterseminar in Münster und beschloss, direkt nach der Schule ein Theologie-Studium zu beginnen. 2011 legte er ein Freisemester ein und lebte in einer Wohngemeinschaft in München. Danach kehrte er ins Priesterseminar zurück. Es folgten Stationen in der Pfarrei St. Josef in Münster-Kinderhaus und in einer Suppenküche des Franziskanerordens in Berlin. Seine Gemeindejahre verbrachte er in St.Antonius in Herten. Auch dort lag ihm der Einsatz in den caritativen Angeboten am Herzen.

Trotzdem bleibt das Aufgabenfeld in der Pfarrgemeinde eine Wundertüte.

Belting: Sicher, da haben wir ja schon einige Erfahrungen gemacht. Ich finde es wichtig zu schauen, was der Einzelne gut kann und was nicht. In Herten hat das wunderbar geklappt. Da wurde jeder nach seinen Fähigkeiten eingesetzt. Der, der organisieren konnte, hat organisiert. Und der, der einfühlsam war, war mehr in der Seelsorge aktiv. Es musste sich keiner in den Vordergrund spielen.

Dafür müssen Sie delegieren können.

Belting: Das ist kein Verlust, sondern eine Erleichterung. Ich muss nicht mehr alles selbst machen, sondern kann mich auf das konzentrieren, was mir liegt. Ich wünsche mir, dass das in Zukunft immer mehr der Fall sein wird, dass Laien und Ehrenamtliche verantwortlich Bereiche übernehmen und wir Priester in der zweiten Reihe stehen. Sie dürfen uns dann auch mal in den Hintern treten, wenn wir etwas nicht richtig machen.
Thoben: Es geht gar nicht anders, weil wir bei den vielen Aufgaben sonst auf der Strecke bleiben würden. Ich allein kann in der Gemeinde doch nichts reißen.

In welchem Bereich können Sie am Besten in die zweite Reihe treten?

Thoben: Ich will kein Manager sein, sonst wäre ich nicht Priester geworden. Wir sind ja nicht in ein Verwaltungs-Seminar eingetreten, sondern in ein Priesterseminar. Als Seelsorger will ich da sein, wo Gemeinde lebt.

Wo lebt Gemeinde denn noch?

Thoben: Das tut sie an vielen unterschiedlichen Orten, im Caritas-Laden genauso wie in der Firmkatechese. An diesen Stellen wird die Pfarrgemeinde nie aussterben, sondern lebendig bleiben.

Was machen Sie, wenn Sie mal für einige Zeit raus wollen aus den Aufgaben in der Pfarrgemeinde?

Belting: In Urlaub fahren, am liebsten dorthin, wo es Meer und Sonne gibt. Ich habe einen guten Freund, mit dem fahre ich immer, das ist mir sehr wichtig. Und ich habe noch ein spezielles Hobby: Ich bügle und putze gern.
Thoben: Ich kann auch mal einen Abend auf dem Sofa liegen und gar nichts tun. Das tut gut, wenn man sonst ein Hansdampf in allen Gassen ist. Das bin ich sonst von morgens bis abends. Ich schwimme auch gern und jogge ab und zu durch die Rieselfelder. Übrigens: Ich bin auch ein leidenschaftlich Volkstänzer in meinem oldenburgischen Volkstanzkreis. Wir tanzen ausschließlich mit Holzschuhen. Bei meinen Hobbys habe ich aber gemerkt, dass die Sicht von außen auf das Priester-Dasein oft viel konservativer ist als unserer eigene Definition. Da kommt nicht selten die Frage: Darf man so etwas als Priester eigentlich?

Und: Darf man?

Thoben: Natürlich! Ich bin doch auch nach der Weihe ein normaler Mensch mit meinen Stärken, Schwächen, Vorlieben und Abneigungen. Wenn alle Welt schreit, dass sich Kirche öffnen und lockerer werden muss, dann darf man ihr nicht vorwerfen, dass ihre Priester auch Jeans tragen und Holzschuhe beim Tanzen anziehen.

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