BIBEL AM SONNTAG (2. So./C)

Hermann Kappenstiel: Eingeweihte Wasserträger

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Können Jesu Wunder noch heute auf uns wirken? Auf jeden Fall, sagt Hermann Kappenstiel und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

„Das gibt’s doch nur im Märchen!“, sagt ein Schulfreund über das Weinwunder in Kana. Er sei zwar kein Atheist, aber könne nicht glauben, dass die Rede von Gott und vom Himmel etwas Wesentliches über unsere Welt sagt. Hilfreich sei sie für ihn jedenfalls nicht. Für viele ist die erste Frage, wie das möglich sein soll, Verwandlung von Wasser in Wein.

Für den Evangelisten ist sie nicht von Bedeutung. Nur in einem Nebensatz erwähnt er die Verwandlung. Er spricht auch nicht von „Wundern“, sondern von „Zeichen“, die Jesus tut – in Kana das erste von sieben. Zeichen haben keinen Wert an sich, sie weisen über sich selbst hinaus – das Geschehen in Kana weist auf die Herrlichkeit Jesu hin. Die wird schon auf Erden erfahrbar.

Was helfen uns Jesu Wunder von damals?

Die Lesungen vom 2. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C zum Hören finden Sie hier.

Das ist die Botschaft! Unser Leben ist wie eine Hochzeit, bei der der Wein ausgeht. Eine Hochzeit ohne Wein? Da ist das Fest zu Ende, so scheint es. Doch es geht weiter, weil plötzlich Wein da ist von bester Qualität und in Überfülle. Wie ist das möglich? Eine geläufige Antwort: Weil Jesus ein Wunder gewirkt hat. Ich gebe mich mit dieser Antwort nicht zufrieden.

Was hilft es uns heute, dass Jesus damals Wunder gewirkt hat? Ich erinnere mich an einen Schüler, der mir sagte: ‚Jesus ist zu früh gekommen. Heute brauchen wir ihn, damit er diese kaputte Welt heil macht. Aber ich sehe ihn nicht. Kannst du ihn mir zeigen?‘ Dieser Junge hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Das hat bei mir gesessen – bis heute. Wo wird heute erlebbar, dass das Fest des Lebens weitergeht – mitten in einer bedrohten Welt? Wo erleben wir heute Verwandlung von Wasser in Wein?

Die Rolle von Maria

Jesus tritt nicht auf wie der Deus ex machina im antiken Theater. Er lebt in Menschen weiter, in der Kirche, verstanden als Leib Christi. Kirche verkörpert Jesus Christus. Es geht nicht ohne uns. Die Frage, die weiterführt, lautet: Wer außer Jesus ist beteiligt an dem wunderbaren Ereignis in Kana?

Maria, seine Mutter, und die Diener. Maria ist die Erste, die Jesus auf die drohende Notlage hinweist. Der weist sie ab. Sie aber macht die Diener auf Jesus aufmerksam: ‚Was er euch sagt, das tut!‘ Sie rechnet wohl mit einer Initiative ihres Sohnes.

Jesus ergreift die Initiative

So geschieht es. Jesus wendet sich an die Diener – mit einem merkwürdigen Auftrag: ‚Füllt die Krüge mit Wasser!‘ Was soll das? Es fehlt Wein! Wieso also 600 Liter Wasser schleppen? Die Diener erledigen umgehend den Auftrag und bringen das Wasser dem für das Festmahl Verantwortlichen. Der hat keine Ahnung, woher der Wein plötzlich kommt. Auch der Bräutigam weiß nichts.

Nur die Diener haben den Durchblick. ‚Die Diener aber wussten es‘, hören wir. Ausgerechnet die, die in der gesellschaftlichen Rangordnung ganz unten stehen, wissen es, weil sie ganz nah dran waren an Jesus und getan haben, was er ihnen sagte.

Die Herrlichkeit Jesu

Was können wir mit dieser Erzählung anfangen? Der Evangelist Johannes sagt, mit diesem ersten Zeichen habe Jesus seine Herrlichkeit geoffenbart. Dieses Zeichen weist zum Himmel. Die Hochzeit zu Kana ist ein An-Zeichen für die Herrlichkeit Gottes mitten in einer dunklen Welt. Zugleich weist es in Richtung Erde, auf die Menschen, und wie sie Anteil haben am Offenbarwerden der Herrlichkeit Gottes. Uns wird unsere Rolle bei der Gestaltung einer menschlichen Welt gezeigt.

An uns ist es, wie Maria aufmerksam zu sein für die Not der Menschen, andere darauf hinzuweisen und zu erkennen, von wem wirksame Wegweisung kommt. Uns fällt die Rolle der Diener zu. Sie tun, was sie immer tun: Wasser schleppen. Dieser nicht besonders geschätzte Dienst erweist sich als entscheidende Voraussetzung dafür, dass das Fest weitergeht. 

Die Aufgabe der Christen

Für mich lautet die Botschaft des heutigen Sonntags: Wenn wir Christenmenschen tun, was unsere jeweilige Aufgabe ist und so zum guten Zusammenleben der Menschen beitragen, und wenn wir uns von Jesus sagen lassen, dass das mehr ist als mühselige Plackerei, sondern dass so die Welt hell wird und das Leben Geschmack bekommt, dann wird das Leben ein Fest. 

So etwas gibt es nur im Märchen, sagen die Skeptiker. Das hat schon der heilige Hieronymus zu hören bekommen. Zu ihm sei jemand gekommen und habe spöttisch gesagt: „Du willst mir doch nicht weismachen, dass die Gäste in Kana 600 Liter Wein getrunken haben.“ – „Ganz recht“, habe der Heilige geantwortet, „wir trinken noch heute davon.“ – Wir Christen sind eingeweihte Wasserträger.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 2. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C finden Sie hier.

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