Fachtag „Sternenkinder“ nimmt Trauerbewältigung in den Blick

Hilfe im Super-Gau: Wenn der Tod eines Babys alles ins Wanken bringt

  • Sternenkinder nennt man Kinder, die vor, während oder bald nach der Geburt sterben.
  • Die Situation überfordert nicht nur die Eltern, auch viele Berufsgruppen, die damit konfrontiert werden.
  • Der Fachtag „Sternenkinder“ Mitte März in Lengerich soll allen Beteiligten Rüstzeug geben.

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Es ist der Super-Gau. Wenn das Kind vor den Eltern stirbt, durchbricht das ein natürliches Gesetz – eine akzeptierte Lebensfolge, eine nachvollziehbare Entwicklung. Sicher, jeder Tod bringt Trauer und Schmerz mit sich. Der Tod eines Kindes aber bringt sie mit einer besonderen Wucht. Wenn das Kind vor, während oder bald nach der Geburt stirbt, steigert sich das noch einmal vehement. Alle Beteiligten stehen dann oft völlig hilflos vor der Situation mit diesen sogenannten „Sternenkindern“: Mediziner, Hebammen, Therapeuten oder Seelsorger.

Der Fachtag „Kompetent begleiten – wenn Geburt und Tod aufeinandertreffen“ Mitte März richtet sich genau an diese Zielgruppen. Ausgerichtet von der Beratungsstelle Sternenkinder Münster-Osnabrück werden Mitte März 100 Interessierte nach Lengerich kommen, um über Rüstzeug eben für dieses Ereignis zu sprechen. Eine Situation, in der keiner vor der Wucht gefeit ist, sagt Norbert Muksch. „Jeder fühlt dabei sofort, dass dies nicht richtig ist und ihn überfordert.“

Tod eines Kindes zerstört jede Hoffnung

Der Theologe und Trauerbegleiter arbeitet als Referent in der Kolping-Bildungsstätte Coesfeld und wird den Fachtag als Dozent begleiten. Aus seiner langjährigen Berufserfahrung kennt er die Extremsituation der Trauer, weiß aber auch um die Besonderheiten bei verstorbenen Kindern. „Da wird eine Hoffnung zerstört, die mit jedem Neugeborenen verbunden ist“, sagt der 62-Jährige. „Die Lebensfreude, die Energie, die Wünsche – alles ist jäh beendet.“

Er weiß auch, dass diese Ereignisse keine Seltenheit sind. „Für Hebammen und Geburtshelfer ist es nicht unwahrscheinlich, irgendwann mit einer solchen Situation konfrontiert zu werden.“ Aber auch für Krankenhausseelsorger, die wie viele andere auf diesen Moment kaum ausreichend vorbereitet sind. „Sternenkinder sind und bleiben Sonderfälle, für die es neben der Grundausbildung in der Trauerbegleitung eine spezifische Fortbildung braucht.“

Die Begleiter haben eigene Grenzen

Gleichgewicht finden in einer Situation ohne Halt: Als Trauerbegleiter ist es Norbert Muksch wichtig, den Eltern zu signalisieren, dass er die Geschehnisse mit ihnen zusammen aushalten will. | Foto: Michael Bönte
Gleichgewicht finden in einer Situation ohne Halt: Als Trauerbegleiter ist es Norbert Muksch wichtig, den Eltern zu signalisieren, dass er die Geschehnisse mit ihnen zusammen aushalten will. | Foto: Michael Bönte

Phasen, Reaktionen oder Ausdrucksformen der Trauer bei Betroffenen sind keine völlig anderen. „Sie sind ohnehin immer sehr individuell und situationsabhängig.“ Bei verstorbenen Kindern ist das nicht anders, sagt Muksch. „Sensibilität und Empathie sind in jedem Fall wichtig.“ Die müssen dem Seelsorger oder anderen Begleitern aber auch möglich sein. „Deswegen ist die Auseinandersetzung mit der Situation auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Ressourcen und Möglichkeiten.“

Wer den Eltern beistehen will, muss ihnen signalisieren, dass er von der „bedrohlichen, zerstörerischen und grausamen Kraft“ der Ereignisse weiß „und trotzdem nicht wegrennt“, sagt Muksch. „Das hört sich einfach an, ist aber enorm schwer.“ Für den Trauerbegleiter ist es eine Haltung, die bewusst eingenommen werden muss. „Mit dieser Haltung gebe ich jenem Halt, der durch den Tod des Kindes seinen Halt erst einmal völlig verloren hat.“

Religiöse Zurückhaltung

Mit dem Thema Hoffnung geht er in diesen Momenten sehr vorsichtig um, sagt Muksch. „Das würde ich proaktiv nicht zur Sprache bringen.“ Denn Zuversicht könne sich dabei oft weniger aus religiösen Idealen oder spirituellen Floskeln entwickeln als mehr durch die Ausstrahlung, dass Hilflosigkeit und Perspektivlosigkeit in dieser Situation dazugehörten und zusammen ausgehalten werden. „Sie müssen zugelassen, nicht mit der Auferstehungshoffnung zugedeckt werden.“

Muksch selbst kennt die Entwicklung bei betroffenen Eltern aus seiner Arbeit in der Kinder-Onkologie des Universitätsklinikums Münster. „Bei unseren Treffen dürfen sie ihre Situation erst einmal nur beschreiben – mit Worten, aber auch mit Tränen.“ Was sich daraus entwickelt, ist sehr unterschiedlich, hat aber eine Richtung. Es wird für die Trauernden einfacher, auf die Ereignisse zu schauen, sagt er: „Sie schaffen es nach und nach wieder Freude in ihrem Leben zuzulassen – ohne Schuldgefühle auch mal wieder zu lachen.“

Trauma können vermieden werden

Den Weg zu diesem Lachen besser begleiten zu können, ist Ziel der Fachtagung. „Es geht bei unserer Arbeit darum, die Eltern so zu unterstützen, dass aus ihren Erlebnissen nichts Traumatisches wird“, fasst Uli Michel von der Beratungsstelle Sternenkinder das zusammen. Das Interesse aus den unterschiedlichen Berufsgruppen, die mit der Extremsituation in Kontakt kommen, ist groß. Die Tagung war nach kurzer Zeit ausgebucht.

Träger der Beratungsstelle Sternenkinder Münster-Osnabrück ist die Bethanien Diakonissen-Stiftung, die an unterschiedlichen Standorten in Deutschland unter anderem Krankenhäuser, Pflegeheim und Kindertagesstätten betreibt. Darunter sind insgesamt sieben Beratungsstellen und Ambulanzen speziell für Eltern von Kindern, die vor, während oder bald nach der Geburt gestorben sind. www.bethanien-stiftung.de

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