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Jesus wird in den Himmel aufgenommen. Das feiern Christen an Christi Himmelfahrt. Und die Jünger, heißt es, blickten „zum Himmel empor“. Ist der Himmel also oben? Für einen Piloten wie Markus Nolte ist die Sache klar.
Jesus wird in den Himmel aufgenommen. Das feiern Christen an Christi Himmelfahrt. Und die Jünger, heißt es, blickten „zum Himmel empor“. Ist der Himmel also oben? Für einen Piloten wie Markus Nolte ist die Sache ziemlich klar.
Schon als Steppke stand ich regelmäßig während der Herbstferien in Tante Elfriedes Ohrensessel und verfolgte gebannt die Flieger, die direkt über ihrem Düsseldorfer Reihenhaus starteten und landeten. Und später fuhr mein Schulbus zum Gymnasium täglich am Flugplatz Oerlinghausen vorbei; gottlob war ich Fahrschüler – sonst wäre ich permanent zu spät zum Unterricht erschienen, weil ich wie angewurzelt bestaunt hätte, wie die Flieger gegen den Aufwind am Teutoburger Wald zur Landebahn hinunterslippten.
Vaterunser auf dem Vorfeld
Später gehörte es zu jeder Flugreise, auf jeden Fall einen Fensterplatz in Boeing oder Airbus zu ergattern, und einer der Höhepunkte war ein Besuch bei Kapitän und Erstem Offizier im Cockpit eines Jumbos – Anfang der Neunzigerjahre, als das noch erlaubt war.
Bis heute jedenfalls beginnt ein solcher Flug im Jet mit einem Ritual: drei Mal (warum auch immer) murmele ich kaum hörbar das Vaterunser vor mich hin, während die Maschine vom Vorfeld zur Startbahn rollt. Natürlich kann von Flugangst keine Rede sein – aber irgendwie, denke ich mir, kann es ja nicht schaden, den Herrgott mit an Bord zu wissen.
So grenzenlos ist die Freiheit am Himmel nicht
So halte ich es immer noch – allerdings nur als Passagier. Denn heute sitze ich selber im Cockpit und habe in der Sportfliegerei ein Hobby gefunden, das zwar paradoxerweise ganz grandios „runterbringt“, das aber andererseits so viel Konzentration besonders bei der Startprozedur erfordert, dass für drei Vaterunser beim Rollen kein Platz mehr bleibt im Kopf – für alles andere, für schwere Gedanken etwa, allerdings auch nicht. Mit dem lieben Gott aber hat dieses großartige Erlebnis definitiv zu tun. Und das gar nicht einmal, weil man am Himmel dem Himmel näher wäre.
Übrigens auch nicht, weil da oben „die Freiheit grenzenlos“ wäre, auch wenn in diesem Zusammenhang wohl kein Zitat öfter bemüht wird als eben dieses des Liedermachers und Piloten Reinhard Mey. Denn natürlich sind selbst in der Ultraleichtfliegerei, der meine Leidenschaft gilt, Höhen einzuhalten, bestimmte Gebiete zu umfliegen, „Vorfahrten“ zu achten, Funksprüche korrekt abzusetzen und Anweisungen zu befolgen, wachen Auges andere Flugzeuge zu erfassen, überhaupt die Vorschriften der Luftfahrtverordnung einzuhalten und dabei Zustand und Verhalten von Maschine und – wo anwesend – Passagier im Blick zu behalten.
Keinesfalls ein Wunder
Dennoch: Himmel und Freiheit sind wahrlich zwei Begriffe, die am besten geeignet sind, das großartige Erlebnis des Selbst-Fliegens irgendwie in Worte zu fassen.
Alles beginnt damit, dass die leichten Flieger, mit denen ich unterwegs bin, schon nach wenigen Sekunden Schub abheben. Im Prinzip von allein, nur ein wenig unterstützt durch ein minimales Ziehen am Steuerknüppel, schon geht es hoch und hinauf. Natürlich ist das physikalisch völlig logisch und keinesfalls ein Wunder. Aber wunderbar ist es deshalb doch. Also: Mit Staunen steigen!
Die Landschaft wie ein gewebtes Tuch
Das Evangelium zu Christi Himmelfahrt zum Hören und Lesen.
Und oben sieht die Welt, die Erde, das Münsterland auf einmal völlig anders aus. Nicht nur kleiner. Münsters Dom liegt ganz anders ausgerichtet da, als man vermutet hätte; die eigene Straße, das eigene Haus will erst einmal gefunden werden; der Aasee prägt das Stadtbild viel stärker als es von unten den Anschein hätte. Und bei guter Sicht tauchen die Türme des Billerbecker Doms schon nach wenigen Minuten am westlichen Horizont auf.
Die altvertraute Heimat breitet sich in voller Pracht da vorn unter dem Propeller aus und wirkt wie frisch entdeckt: die weiten Felder und großen Wälder des Münsterlands, sattgrün und goldgelb in Frühling und Sommer, im Winter in Schattierungen von weiß und grau und blau. Dazwischen in runden, meist rötlichen Flecken die Dörfer und Städte so unerwartet nah beieinander, dass das alles wie ein großes, fein gewebtes Tuch erscheint, das der liebe Gott an genau dieser Stelle haben wollte.
Psalm 139 auf 2200 Fuß
Und ich flieg' oben drüber mit Seiten-, Quer- und Höhenruder, neige mich hier, steige dort, kreise ab und an. Und sage mir selbst durchs Mikrofon in den Kopfhörer: „Wie schön das ist!“ Das höre nur ich. Es sei denn, ganz oben hört mir einer zu.
Selbstverständlich ist der Himmel der Himmel! Sich im dreidimensionalen endlosen, weiten Raum zu bewegen, das ist definitiv das körperliche Erlebnis unbegrenzter Freiheit. Und ich mittendrin aufgehoben, ich kleiner Mensch im großen Gott. So ungefähr ist das. „Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; nehme ich die Flügel des Morgenrots und flöge bis zum äußersten Meer – auch dort wird deine Hand mich ergreifen und deine Rechte mich fassen.“ Psalm 139, zu singen auf 2200 Fuß.
Auch dies: Dass Fliegen geht! Dass man das lernen, sich aneignen kann! Dass ich das erleben darf! Das Staunen darüber sorgt mit einer gehörigen Portion Respekt vor Wind, Wetter und Technik dafür, bei aller Leidenschaft nicht die Verantwortung zu vergessen. Und Jesaja 40,31 auch nicht: „Die dem Herrn vertrauen, bekommen Flügel wie Adler.“