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Der katholische Kirchenhistoriker Hubert Wolf sieht den sexuellen Missbrauch als Teil einer Systemkrise in der katholischen Kirche. Wer das ernst nehme, müsse grundlegende Veränderungen beginnen.
Der katholische Kirchenhistoriker Hubert Wolf sieht den sexuellen Missbrauch als Teil einer Systemkrise in der katholischen Kirche. Wenn die Bischöfe es mit ihrer Ankündigung, dass Thema Missbrauch aufarbeiten zu wollen und auf der Seite der Opfer zu stehen, ernst meinten, müssten sie mit grundlegenden Änderungen beginnen, sagte er am Sonntag im Deutschlandfunk.
„Ich halte diese Krise, wenn ich sie historisch anschauen, für größer als das, was in der Reformation passiert ist“, fügte der Geistliche hinzu. Die Kirche lebe vom Glauben und von ihrer Glaubwürdigkeit. „Eine Religion, die keine Glaubwürdigkeit hat, ist am Ende.“
„Zölibat ist ein Risikofaktor“
Der an der Uni Münster lehrende Priester betonte, es gehe nicht nur um den Zölibat. Es gehe auch um Fragen wie den Zugang zum Priesteramt, die Auswahl der Bischöfe und die Beteiligung der Gemeinden. Auch brauche die Kirche eine Verwaltunsgerichtsbarkeit. „Der Zölibat ist Teil eines Systems. Und der Zölibat ist ein Risikofaktor für den Missbrauch“, sagte Wolf. „Deshalb darf man das Thema nicht länger aussitzen oder in einer Entschuldigungsrhethorik vertuschen.“
Mit Franziskus habe ein Papst erstmals auch die sexuelle Gewalt an Nonnen öffentlich gemacht, sagte der Kirchenhistoriker. Die Erwartungen an ihn seien jetzt hoch. Alle Dinge müssten auf den Tisch, insbesondere alle Quellen zugänglich gemacht werden. Denn: „Es geht nicht nur um die Täter, sondern auch um die, die die Täter gedeckt heben. Es geht um die, die von diesen Vorgängen in Klöstern und mit Kindern wussten. Es geht um die, die solche Pfarrer versetzt haben und sie wieder auf Kinder und Jugendliche losgelassen haben.“
Zulehner: „Unaufhaltbarer Refomprozess“
Der Wiener Religionssoziologe Paul Zulehner nennt den Missbrauchsskandal in der Kirche unterdessen eine „Fußfessel“ für Papst Franziskus. An ein Scheitern der internationalen Missbrauchskonferenz in Rom und damit verbunden ein Scheitern von Papst Franziskus glaubt der Mitinitiator der Kampagne „Pro Pope Francis“ nicht. Schon aus „Vernunftgründen“ müsse die Konferenz, die am 21. Februar in Rom beginnt, ein Erfolg werden, sagte er der „Südwestpresse“ (Montag).
„Der Reformprozess von Papst Franziskus wird sich nicht aufhalten lassen“, so Zulehner. Die positive Bewältigung des Missbrauchsthemas könne neuen Schwung bei Reformen bringen.