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Für Joachim Kuropka ist das der entscheidende Punkt: „Im Frühjahr 1933, als die Nazis die Regierung übernahmen, ging es im Kern sofort um die Existenz von Glaube und Kirche, um eine totale Ent-Christlichung.“ Diese „Existenzfrage“ haben nach dem Eindruck des Wissenschaftlers aus Vechta „damals nicht alle Bischöfe zur gleichen Zeit in ihrer ganzen Schärfe erkannt“.
Nicht umsonst stellte Kuropka dieses Argument in den Mittelpunkt seines Vortrags bei einer wissenschaftlichen Tagung zum Verhalten von Bischöfen in der Nazi-Zeit in Stapelfeld. Denn es gab eine Ausnahme: Clemens August von Galen, Bischof von Münster.
Galen sah Nationalsozialismus als „ein neues Heidentum“
Kuropka hat regelrecht nach Material gegraben, um ein genaues Bild dieses Bischofs zu gewinnen. Wenn man über Galen etwas wissen will, führt an dem Historiker kein Weg vorbei; zum Thema Kirche in der Nazi-Zeit hat er mehr als 20 Bücher geschrieben, weit über 100 Aufsätze verfasst, 14 Sammelbände herausgegeben.
Deshalb ist sich Kuropka auch sicher: Die Vernichtungsstrategie der Nazis sei schon im Herbst 1933 offen ausgesprochen worden; Kuropka zitiert einen „leidenschaftlichen Ausbruch“ Adolf Hitlers, er werde „die Kirche, die gegen meinen Staat arbeitet, zerschmettern, vernichten“. Bischof von Galen habe darauf schon mit seinem Osterhirtenbrief 1934 eine deutliche Antwort gegeben; die inhaltlichen Grundlagen der Nazi-Partei seien „ein neues Heidentum, der Grundirrtum, um nicht zu sagen die Grundhäresie ist der absolute Totalitätsanspruch.“
Bischöfe und ihr Einsatz in der Nazi-Zeit
„Zwischen Seelsorge und Politik“: Zum 70. Todestag des seligen Clemens August von Galen hat die Arbeitsstelle Katholizismus- und Widerstandsforschung der Universität Vechta unter Federführung von Maria Anna Zumholz und Privatdozent Michael Hirschfeld bei einer Tagung in der Akademie Stapelfeld das Handeln deutscher Bischöfe unter dem Nazi-Regime untersucht. 20 Wissenschaftler trugen Material vor; über die einzelnen Bischöfe, aber auch über die Personalpolitik des Vatikans und das Handeln der Bischofskonferenz. Klar wurde dabei: Im Gegensatz zu dem Handeln des Bischofs von Münster ist das anderer Bischöfe oft kaum erforscht. Oft findet sich Material in Akten der Geheimpolizei. So weiß man, dass der Bischof von Trier seine Pfarrer anwies, Mitglieder der NSDAP nicht kirchlich zu beerdigen.
Wallfahrten als Protestmarsch
Ein totaler Staat, der keine anderen Lehren neben sich duldet – das Regime sei auf diesem Weg geschickt vorgegangen, berichtet Kuropka. Die katholischen Vereine „als zentrales Element“ der Seelsorge seien praktisch ausgeschaltet gewesen. Die Bischöfe hätten bald eine Antwort gefunden. Mit neuen Frömmigkeitsformen wie dem Ewigen Gebet oder in Massenkundgebungen und Wallfahrten, zu denen Tausende kamen, auch viele, die einfach ihre Haltung als Gegner des Regimes zeigen wollten.
Das Regime habe sich immer wieder machtlos gezeigt; aus Polizeiakten zitiert Kuropka den Plan, „staatliche Machtmittel nicht einzusetzen, wenn sie zu einer Märtyrerstimmung führen könnten“. Immer wieder tauche in diesen Berichten der Begriff „geistiger Kampf“ auf; diesen Weltanschauungskampf habe das Regime „beim überwiegenden Teil der Katholiken“ aber nicht gewonnen, so der Historiker aus Vechta.
Kuropka: Galen war immer Kaplan und Pfarrer
Bei Prozessionen und Glaubenskundgebungen habe Galen überall stürmische Zustimmung erlebt, berichtet Kuropka. Das habe auch an seinem Auftreten als „volksnaher Seelsorger“ gelegen. Denn anders als die anderen Bischöfe, die zunächst als Professoren oder in der Verwaltung gearbeitet hätten, sei Galen immer Kaplan und Pfarrer gewesen.