Katholische Gemeinden reagieren auf Inzidenz-Werte von über 200

Corona-Hotspot Recklinghausen: Verzicht auf Präsenzgottesdienste

  • Seit heute ist der Kreis Recklinghausen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 230 einer der Hotspots in Nordrhein-Westfalen.
  • Mancherorts verzichten Pfarreien deshalb auf Präsenzgottesdienste, auch wenn sie das nicht müssten: zum Beispiel in Recklinghausen und Haltern am See.
  • Sie sehen darin ihren Beitrag zu Eindämmung der Pandemie und eine wichtige Botschaft in die Gesellschaft hinein.

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Im Kreisdekanat Recklinghausen verzichten einige Pfarrgemeinden auf Präsenzgottesdienste – wenngleich sie weder vom Land noch vom Bistum Münster dazu verpflichtet sind. Obwohl der Kreis mit aktuell fast 230 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den kritischen Inzidenz-Wert von 200 überschreitet, können sie weiterhin selbst entscheiden, ob sie die Menschen zu Gottesdiensten in ihre Kirchen einladen. Einige haben sich dazu entschlossen, zumindest bis zum Ende des geltenden Lockdowns darauf zu verzichten. Warum?

„Wir haben beschlossen, uns an den Infektions-Werten zu orientieren“, sagt der leitende Pfarrer in der Pfarrgemeinde Liebfrauen in Recklinghausen, Hanno Rother. „Deshalb werden bei uns vorerst keine Gottesdienste mit Menschen in den Kirchenbänken stattfinden.“ Diese Entscheidung hat ein Krisenstab getroffen, in dem sowohl Pfarreirat, der Kirchenvorstand und das Seelsorge-Team, als auch die Pfarrverwaltung vertreten waren. „Da wurde durchaus kontrovers diskutiert, am Ende aber mit einer Stimme gesprochen.“

 

Ab welchem Wert wieder öffnen?

 

Wie künftig weiter entschieden wird, steht noch nicht fest. „Wir überlegen noch, ab welchem Inzidenzwert wir die Gottesdienste wieder öffnen“, sagt Rother. „Ob die Zahl im Kreis auf unter 100 oder unter 50 gesunken sein muss, ist noch offen – wichtig ist uns, dass sich die Situation hier vor Ort deutlich entspannt haben muss.“  Es soll nicht auf jede kurzfristige Entwicklung der Zahlen reagiert werden. „Wir wollen das langfristig planen – ein Hin und Her vermeiden.“

Hanno Rother
Hanno Rother ist leitender Pfarrer in in der Pfarrgemeinde Liebfrauen in Recklinghausen. | Foto: Michael Bönte

In der Pfarrgemeinde St. Sixtus in Haltern am See, ebenfalls Kreis Recklinghausen, haben sie die Präsenzgottesdienste bereits seit Weihnachten ausgesetzt. Das lag daran, dass sie nach einem mehrwöchigen Anmeldeverfahren für die Weihnachtsmessen durch den Anstieg der Infektionszahlen etwa 30 Prozent der angemeldeten Gläubigen wieder hätten ausladen müssen. „Allein in den Gottesdiensten an Heiligabend wären das mehr als 500 Personen gewesen – und wer bitte hätte entscheiden sollen, wer kommen darf und wer nicht?“, fragt der leitende Pfarrer Michael Ostholthoff.

 

Im Verzicht liegt auch eine Botschaft

 

Im Verzicht auf die Präsenzgottesdienste sieht er aber auch eine wichtige Botschaft in die Stadtgesellschaft hinein. „Wir signalisieren den Menschen hier damit, dass es in dieser Zeit wichtig ist, sich einzuschränken“, sagt Ostholthoff. „Mit unseren Maßnahmen bringen wir vielen noch einmal ins Bewusstsein, dass keine Normalität herrscht und wir uns alle gegen das Virus einsetzen müssen.“ Eine solch deutliches Positionieren sei in dieser Zeit eine wichtige Aufgabe der Kirche.

Auch in St. Sixtus saßen alle Gremien und Arbeitsbereiche am Tisch, um über das weiter Vorgehen zu beraten. Entscheidend dabei war auch die intensive ökumenische Zusammenarbeit in Haltern am See. Die evangelische Kirche hatte schon früh flächendeckend die Gottesdienste in ihren Kirchen abgesagt. „Wir wollten dann mit einer Stimme sprechen“, sagt Ostholthoff. Denn nur so könnten die Maßnahmen der Kirchen von den Menschen in der Stadt verstanden werden. „Wie sollten wir ihnen sonst erklären, dass an der einen Seite der Einkaufsstraße noch Gottesdienste gefeiert werden, an der anderen aber nicht mehr?“

 

Präsenz in Altenheimen und Krankenhaus unersetzlich

 

Michael Ostholthoff
Michael Ostholthoff ist Pfarrer in der Pfarrgemeinde St. Sixtus in Haltern am See. | Foto: pd

Bislang gab es viel Verständnis, sagt Ostholthoff. „Sicher auch, weil wir die Energie, die wir im Bereich der Gottesdienste sparen, in die Seelsorge-Angebote investieren, die derzeit möglich sind.“ E-Mail-Impulse, Video-Angebot via Internet und Zoom-Gottesdienste, bei denen sich die Menschen live zuschalten können, gehören dazu. „Ich bin froh, dass wir so viele flexible und innovative Mitarbeiter und Helfer in unserer Pfarrgemeinde haben.“

Zum derzeitigen Angebot gehören aber auch noch einige Präsenzgottesdienste: jene in Altenheimen und im Krankenhaus, wo vorher getestet, mit Schutzkleidung agiert und streng auf Hygiene- und Abstandsregeln geachtet wird. „Wir machen das mit der Erfahrung aus dem ersten Lockdown“, sagt Ostholthoff. „An diesen Orten sind Präsenzgottesdienste unersetzlich.“

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