Anzeige
Mit dem deutschen Überfall auf die Niederlande 1940 gerieten auch die Juden dort in existenzielle Gefahr. Ein Pastor in der deutsch-niederländischen Grenzstadt Enschede rettete hunderten Juden das Leben. Ein Zeitzeuge berichtet.
Hunderte Jüdinnen und Juden, darunter viele aus Westfalen, verdanken ihr Überleben nach dem Überfall deutscher Truppen auf die Niederlande Leendert Overduin (1900-1976). Der Pastor einer kleinen protestantischen Gemeinde in der deutsch-niederländischen Grenzstadt Enschede leitete während der fünfjährigen Besatzungszeit von 1940 bis 1945 eine Organisation, deren einziges Ziel darin bestand, Juden zu helfen.
„Ohne Pastor Overduin hätte unsere Familie nicht überlebt“, sagt Herbert F. Zwartz. Der 96-jährige Niederländer gehört zu den letzten Zeitzeugen des Holocaust; er erzählte seine Geschichte im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Münster.
Leben im Versteck
Familie Zwartz konnte am 8. April 1943 untertauchen. Herbert und sein Vater kamen in einem Haus in Enschede unter. Seine Mutter und Schwester in einem anderen nahegelegenen Versteck. Am 1. April 1945 wurden alle vier befreit.
„Ist es Glück oder Zufall, dass man überlebt hat?“, fragt Zwartz die mehr als hundert Zuhörenden. Verbunden war das Gespräch mit der Vorstellung des Buchs „Der Judenretter und Versöhner aus Enschede: Pastor Leendert Overduin“, einer Veröffentlichung, die erstmals in deutscher Sprache im Lit-Verlag erschienen ist.
NS-Besatzung: „Holland soll judenfrei sein“
Zwartz, Jahrgang 1928, spricht über seine Jugendzeit, die mit Beginn der Besatzung immer bedrohlicher wurde. „1941 mussten wir jüdischen Kinder und Jugendlichen unsere Schulen verlassen. Stattdessen gab es eine separierte jüdische Schule. Wir mussten unsere Radios abgeben, durften nicht mehr mit dem Zug fahren, dann kam die Verordnung, die Fahrräder abzuliefern. Es war ein schleichender Prozess der Verdrängung aus einem normalen Leben.“
Als im April 1943 die Losung der Besatzer „Holland soll judenfrei sein“ bekannt und Deportationen vorbereitet wurden, begann für Familie Zwartz wie für die anderen jüdischen Familien die Suche nach sicheren Verstecken. „Es gab die Hilfsbereitschaft in Enschede, uns zu helfen“, sagt Zwartz. Ein älteres Ehepaar nahm ihn und seinen Vater auf. Ein winziger Raum musste genügen.
Unerbittlicher Kämpfer für Gerechtigkeit