Kommentar von Chefredakteur Markus Nolte zum sinkenden gesellschaftlichen Verständnis

Homophob und frauenfeindlich? Die Kirche muss sich entscheiden

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Ob Frauenweihe, Homosexuellen-Segnung oder bischöfliche Mahnungen darüber, was in kirchlichen Medien veröffentlichen werden darf: Viele kirchliche Debatten laufen gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten diametral entgegen. Eine brandgefährliche Situation, die Glaubwürdigkeit und Auftrag der Kirche massiv bedroht, meint Markus Nolte, Chefredakteur von "Kirche-und-Leben.de".

Bei den wichtigen Entscheidungen spielt Demokratie keine Rolle. Frauen sind von den Top-Jobs ausgeschlossen. Homosexualität ist anormal, Pille und Kondome sind verboten. Wer zweimal heiratet, kann entlassen werden. Und Pressefreiheit definiert der Geldgeber. – So stellt sich unsere Kirche für den größer werdenden Teil meines Freundeskreises dar, der im Großen und Ganzen aus ganz normalen Menschen besteht: Demokratinnen und Demokraten durch und durch, wache und tolerante, selbstbewusste und engagierte Frauen und Männer.

Mit der Kirche können sie immer weniger anfangen. Weil sie für sie antidemokratisch ist, frauenfeindlich, homophob, diskriminierend. Für die Freunde ist das nicht nur unverständlich. Für sie ist das illegal.

 

"Diskutiert ihr das allen Ernstes?"

 

Und sie fragen sich, wie das möglich ist, 2021 in Deutschland. Wie wir allen Ernstes diskutieren, ob Frauen jeden Job bekommen und ob wir homosexuellen Menschen sagen können, dass es okay ist, wie sie leben und lieben.

Sie stellen diese Fragen als Teil einer Gesellschaft, in der zwar im Großen und Ganzen Konsens über die grundgesetzlich verankerte Gleichheit aller Menschen besteht, über Meinungs- und Pressefreiheit und auch über das grundgesetzlich verankerte Verbot der Diskriminierung von Menschen wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung.

 

Ungeister und „besorgte Gläubige“

 

Sie stellen diese Fragen aber auch als Teil einer Gesellschaft, in der die Ungeister wieder lauter werden: Rassismus, Sexismus, Homophobie, Demokratie­skepsis, Fundamentalismus, Intoleranz, Hassrede, Verunglimpfung der Medien als „Lügenpresse“.

Und sie hören „besorgte Gläubige“, die vom Widerstand gegen den Zeitgeist reden, vom Schwimmen gegen den Strom. Davon, dass über Wahrheiten nicht Mehrheiten entscheiden. Und über manches nicht mal der Papst.

 

Was war noch gleich die Botschaft?

 

Meine Leute fragen mich, auf welcher Seite wir eigentlich stehen. Und was noch gleich unsere Botschaft war.  Die, sagen sie, hören sie nicht mehr. Und das, was sie hören, können sie nicht glauben.

Wenn die Kirche es nicht schafft, in einem großen Wurf mutig zu klären, was wirklich Essentials des Glaubens sind und was sich nach Ort und Zeit wandeln kann, wird sie viel verlieren. Mehr als Mitglieder und Glaubwürdigkeit. Sie wird die Menschen verlieren.

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