Schüler begegnen Tod und Trauer mit großem Ernst

Hospiz-Projekt in Oldenburg: 400 Jugendliche entdecken das Sterben

  • Bei einem Schulprojekt kamen 400 Jugendliche aus Oldenburg in Kontakt mit dem Hospiz St. Peter.
  • Trotz Corona-Pandemie führten sie die Arbeit an dem Projekt mit Texten und Gedichten zu Ende.
  • Die Ergebnisse wurden jetzt bei einer Schlussveranstaltung in Buchform vorgestellt.

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Bei einer Führung mit ihrer Schulklasse wird die 18-Jährige auf einmal still. Sie steht vor dem Gedenkbuch im Hospiz St. Peter in Oldenburg. Nach einem Todesfall im Haus werden in diesem Buch die Daten des Verstorbenen eingetragen, das Buch aufgeschlagen und neben einer Kerze ausgelegt. Das junge Mädchen berichtet Hospizleiter Andreas Wagner, vor vielen Jahren sei ihre Großmutter dort gestorben. Ob die nicht auch in einem Buch zu finden sei?

Die Gedenkbücher gibt es im Hospiz seit der Gründung vor 25 Jahren. Wagner suchte mit dem Mädchen in den Schränken, fand das alte Gedenkbuch und ließ sie dann allein. „Sie hat dann unter die Daten ihrer Großmutter noch eine Widmung geschrieben, zwölf Jahre nach deren Tod“, berichtet Wagner beeindruckt. Für ihn sei das eines der bewegendsten Erlebnisse im Schul-Projekt „Aufbruch zum Leben“ gewesen.

 

400 Jugendliche aus elf Schulen beim Projekt dabei

 

Aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Hospizes in der Stadtmitte von Oldenburg hatte das pädagogische „Team Zirkel“ aus Aachen zusammen mit der Hausleitung dieses Projekt organisiert. Das Ziel: Jugendliche mit den Themen Hospiz, Tod und Trauer enger in Kontakt zu bringen. Beteiligt waren 400 Schülerinnen und Schüler aus elf weiterführenden Schulen in Oldenburg und der näheren Umgebung. In dieser Form war es eine Premiere für Niedersachsen, wie Projektleiter Gerd Felder betont.

Felder hat die Grundidee so beschrieben: „Der Tod gehört zum Leben, leider auch zu dem von jungen Leuten.“ Deshalb gehöre er als Thema „nicht nur mitten in die Gesellschaft, sondern auch in die Schule.“ Dem Thema sollten sich die Jugendlichen aus Oldenburg über Besuche sowie eigene Texte und künstlerische Versuche nähern.

 

„Erzählen kann man viel“

 

Die Corona-Pandemie hat den Ablauf des Projekts völlig verändert; der geplante enge Kontakt zum Hospiz und den Bewohnern dort war nicht mehr möglich: In Niedersachsen wurden die Schulen geschlossen, Besuche im Hospiz waren unmöglich. Die Form des Schreibprojekts ließ die Arbeit in digitaler Form und damit die Fortsetzung jedoch zu.

Hospizleiter Andreas Wagner nennt es im Rückblick einen „Glücksfall“, dass wenigstens die Hälfte der 400 Jugendlichen zu Beginn des Projekts noch das Hospiz persönlich besuchen konnten: in den ersten sechs Wochen des Projekts, bis zum ersten Lockdown Mitte März vorigen Jahres. Für Wagner eine große Chance: „Erzählen kann man viel, aber man muss es auch sehen.“

 

Jede Sekunde des Lebens wertvoll

 

Entstanden sind nach diesen Besuchen und der Arbeit in den Klassen Texte wie der von Laura Harms. Die 17-Jährige besucht die bischöfliche Cäcilienschule und beschreibt, wie die Pandemie ihren Blick auf den Tod verändert habe. Wie ihr klar geworden sei, dass sie vermutlich „eine der schönsten Zeiten meines Lebens verpassen“ würde, aber keine Sekunde zurückholen könne – wegen der Endlichkeit des Lebens. „Wir lernen erst zu schätzen, was war, wenn es nicht mehr ist.“ Deshalb sei „jede Sekunde, die wir hier auf der Erde verbringen dürfen, wertvoll“. Was Folgen für den Alltag des Einzelnen haben müsse.

Für Hospizleiter Andreas Wagner machen solche Texte das zentrale Ergebnis des Schulprojekts aus. „Sehr vorschnell hört man oft, Jugendliche seien oberflächlich und nur an Feiern interessiert.“ Für ihn ein Irrtum. „Ich habe bei diesem schwierigen Thema viele Texte von großer Tiefe und großem Ernst gelesen“. Die Besuche im Hospiz und das Nachdenken über Sterbende hätten bei den Jugendlichen offensichtlich etwas ausgelöst. Allein deshalb sei das Projekt für ihn „ein voller Erfolg.“

Hospiz St. Peter
Das Hospiz St. Peter in Oldenburg wurde vor 26 Jahren, im Juni 1995, von einem Hospizverein gegründet. Das Hospizgebäude in der Innenstadt wurde ihm von der Pfarrgemeinde St. Peter geschenkt. 2010 wurde es von acht auf zwölf Plätze erweitert. 2019 wurden dort nach eigenen Angaben 180 Menschen begleitet.

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